Die Errichtung eines Gedenkorts in der ehemaligen »Zentralen Dienststelle für Juden« in Berlin gestaltet sich schwierig

Zwei Tage fürs Gedenken

In dem Berliner Gebäude, in dem sich während der NS-Zeit die »Zentrale Dienststelle für Juden« befand, soll ein Gedenkort entstehen. Doch der Eigentümer der Immobilie verfolgt eigene Pläne.

»Sie können froh sein, dass Sie endlich mal in Ihrem Leben eine vernünftige, zweckmäßige Arbeit kennenlernen werden.« Diese Worte von Alfred Eschhaus blieben Elisabeth Freund lange in Erinnerung. Zur Zeit des Nationalsozialismus musste Freund bei der Ehrich & Graetz AG, einer Berliner Metall- und Elektrofirma, Zwangsarbeit leisten. Die »Zentrale Dienststelle für Juden« hatte Freund dem Unternehmen zu­gewiesen. Eschhaus leitete die Behörde.

26 000 Jüdinnen und Juden verpflichtete die nach den Novemberpogromen 1938 gegründete Dienststelle bis Kriegsende zur Zwangsarbeit. Ihren Sitz hatte sie in der Fontanepromenade im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Eine Gedenktafel und eine gelb gestrichene Bank – Gelb war die Farbe der einzigen beiden Bänke, auf denen die vor dem Gebäude Wartenden damals sitzen durften – erinnern an die Geschichte des Hauses.

Der Initiative »Gedenkort Fontanepromenade 15« ist das zu wenig. Seit über anderthalb Jahren setzt sich der Verein dafür ein, dass in dem Gebäude ein Gedenkort entsteht – bislang ohne Erfolg. Im Mai vergangenen Jahres legte er ein Konzept vor.

Ausstellungen, Lesungen und Zeitzeugengespräche sollten in der Fontanepromenade stattfinden, die Geschichte jüdischer Zwangsarbeit in Berlin sollte weiter erforscht werden. »Wir waren so nah dran, aber der Senat hat die Chance verpatzt«, sagt die Historikerin Susanne Willems, die sich bei der Initiative engagiert. Bis Mitte April sah es so aus, als ob der Gedenkort bald eingerichtet werden könnte. Im Dezember hatte das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, rund 100 000 Euro bereitzustellen.

Das Vorhaben ist Willems zufolge an der Kulturverwaltung des Senats gescheitert. Vier Monate habe die Behörde, unterstützt von der Stiftung Topographie des Terrors, mit dem Eigentümer des Hauses, dem Bremer Architekten Marc Brune, verhandelt. »Die Senatskulturverwaltung steht vor einem Scherbenhaufen und kann den vom Parlament politisch gewünschten Gedenkort nicht verwirklichen«, sagt Willems. Brune hatte das Haus im Frühjahr 2015 gekauft.

Als Brunes Pläne, Wohn- und Büroeinheiten in dem Gebäude zu schaffen, bekannt wurden, forderte die Initiative einen sofortigen Baustopp. Nach monatelangen Diskussionen erklärte der Eigen­tümer sich bereit, die Hälfte des Erdgeschosses sowie den Keller des Hauses an den Verein zu vermieten, sofern dieser die Mietkosten aufbringen könne. Die andere Hälfte der Erdgeschossfläche sollte seinen Plänen zufolge für Büroräume, das Dachgeschoss für Wohnungen zur Verfügung stehen. Am 16. April gab Staatssekretär Torsten Wöhlert das Ergebnis der Verhandlungen im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses bekannt.

»Aus den 16 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter, die der Eigentümer uns noch im Dezember vergangenen Jahres zugesichert hatte, sind 20 Euro geworden«, sagt Willems. Außerdem habe sich Brune dazu verpflichtet, mindestens die Hälfte des Gebäudes gewerblich zu vermieten, um die im Zuge der Baumaßnahmen anfallende Umsatzsteuer zu sparen. Wenn ein Eigentümer ein Haus baut oder modernisiert und sich dazu verpflichtet, über 50 Prozent der Fläche gewerblich zu vermieten, gewährt der Staat ihm einen zinslosen Kredit auf die während der Bauphase zu entrichtende Umsatzsteuer. Die Gewerbetreibenden, die sich in dem Haus niederlassen, zahlen den Kredit zurück, indem sie umsatzsteuerpflichtig mieten.

Wegen der erhöhten Mietkosten und der zwecks Steuereinsparung erweiterten Gewerbefläche sei das Konzept des Vereins nun nicht mehr realisierbar, sagt Willems. Sie nimmt an, dass Brune sich vor allem daran gestört habe, dass die Initiative einen Gedenkort mit regelmäßigen Öffnungszeiten einrichten will. »Wenn in der Fontanepromenade ein Gedenkort entsteht, der der Öffentlichkeit nicht dauerhaft, sondern nur am Tag des offenen Denkmals zugänglich ist, dann ist das natürlich deutlich angenehmer für den Eigentümer.«

Brune weist die Vorwürfe des Vereins auf Anfrage der Jungle World zurück. In keinem Fall habe er mit dem Verein eine Miete von 16 Euro pro Quadratmeter vereinbart. »Ebenso wenig haben wir uns mit der Stiftung Topographie des Terrors und der Senatsverwaltung auf der Grundlage eines vermeintlich ›höheren‹ Preises geeinigt.« Zur Vermietung des Erdgeschosses an gewerbliche Mieter sei er »zur Abwendung ­eines erheblichen steuerlichen Schadens gezwungen«. Dieser Auffassung sind offenbar auch die Senatskulturverwaltung und die Stiftung Topographie des Terrors. »Der Eigentümer ist nach seiner Bauinvestition gebunden, die Flächen an einen umsatzsteuerpflichtigen Mieter zu vergeben«, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der beiden Institutionen.
In ihrer Mitteilung schreiben Senatskulturverwaltung und Stiftung, dass Brune das Gebäude »an ausgewählten Tagen« für Interessierte öffnen wolle. Der Eigentümer selbst sagt, er sei sich der »besonderen Verantwortung vollends bewusst«. Was die »ausgewählten Tage« angeht, wird Brune konkret: Er sei bereit, »das Vestibül des Hauses an zwei Tagen im Jahr für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen«.