In Köln streiten Anwohner und Stadtplaner wegen des Mahnmals für den NSU-Anschlag in der Keupstraße

Erinnern am richtigen Platz

Seite 2 – Die Atmosphäre ist bedroht
Reportage Von

Nun drohen der Keupstraße möglicherweise erneut schwierige Zeiten. Denn der Bau des Mahnmals ist zwar beschlossen, doch der Standort und damit auch die Zukunft der Straße sind ungewiss. Dabei spielt der Ort, der von den Anwohnern in der Keupstraße gewünscht ist, eine entscheidende Rolle. Im Vorschlag von Künstler Aminde ist vorgesehen, dass die große Bodenplatte an die Keupstraße, Ecke Schanzenstraße, gesetzt wird. So würde ein öffentlicher Platz entstehen, der die Besucher in die Straße und zur Kommunikation einlädt. »Die Keupstraße soll ein Teil des Mahnmals sein und die Anwohner ­sollen mitbekommen, wenn die Leute hierhin gehen«, sagt Sahin. Auch ­Özdemir wünscht sich das Mahnmal direkt am Eingang der Keupstraße: »Da ist ein Platz – so erträume ich mir das – für meine Enkel und Urenkel, die sich irgendwann dorthin setzen und informieren.«

Für die Eigentümer des Grundstücks hingegen kommt das nicht in Frage. Bernd Odenthal ist einer von ihnen und vertritt die Eigentümer öffentlich. Sie stünden dem Denkmal positiv gegenüber, »auch wenn dies von einigen ­Beteiligten hartnäckig anders dargestellt wird«, sagt er. In den Entstehungsprozess seien die Eigentümer nicht eingebunden worden. »Wir wurden Anfang 2017, bei der Vorstellung des ­Ergebnisses und des Standorts, vor vollendete Tatsachen gestellt«, kritisiert Odenthal. Das wiederum bestreiten die IG Keupstraße und die Initiative »Keupstraße ist überall«: Seit dem Beschluss im Kölner Stadtrat im Februar 2014 habe Odenthal von den Plänen gewusst.

Anwohner der Keupstraße kritisieren den städtischen Bebauungsplan vor allem wegen der geplanten Gebäude, die den Zugang zur Straße abschneiden würden.

Diese Aussage wird vom Sachstandsbericht der Stadt Köln vom März 2018 bestätigt. Aus ihm geht hervor, dass die Eigentümergemeinschaft die architektonischen Vorschläge des öffentlichen Werkstattverfahrens von eigenen ­Architekten überarbeiten ließ. In dem Verfahren suchte die Stadt Köln nach ­einer städtebaulichen Lösung für den ehemaligen Güterbahnhof Köln-­Mülheim, der zwischen dem Stadtteil Mülheim, der Keupstraße und der Schanzenstraße liegt. Im Werkstattverfahren wurde das Mahnmal nicht an der Ecke Schanzenstraße eingeplant, sondern in einem Boulevard zwischen den zwei geplanten Gebäuden.

Odenthals Architekt stellte im Oktober 2017 seine Überarbeitung vor, in der das Mahnmal an die Straßenbahnhaltestelle verlegt wird. Obwohl der Platz auf dem Boulevard im Werkstattverfahren seit Dezember 2015 vorgesehen ist, sagt Odenthal, er habe dies bislang nur »vertraulich mit einem Beteiligten andiskutiert«.

Anwohner der Keupstraße kritisieren den städtischen Bebauungsplan vor ­allem wegen der geplanten Gebäude, die den Zugang zur Straße abschneiden würden. Özdemir befürchtet neben wirtschaftlichen Nachteilen, dass die lebhafte Atmosphäre, die seit 2011 allmählich in die Keupstraße zurück­kehrte, wieder verschwindet. Der Mahnmalkünstler Aminde formulierte es auf einer Podiumsdiskussion Ende März noch drastischer: »Das ist eine geschlossene Wohnungsfront.« Der Besucherstrom würde durch sie von der Keupstraße weggelenkt.

Am wahrscheinlichsten scheint derzeit eine Variante zu sein, die die ­Kölner Stadtverwaltung mittlerweile einbrachte. Demnach sollen die Fassaden der Neubauten fünf Meter weiter zurückgesetzt werden als ursprünglich geplant, das Mahnmal soll im Boulevard zwischen den Gebäuden bleiben, aber bis an die Straße reichen. Wirklich zufrieden sind mit dem Plan jedoch weder die Eigentümer des Grundstücks noch die Vertreter der Anwohner. »Du hast keinen Kontakt zur Keupstraße, wenn du dort stehst«, sagt Sahin. »Wir wollen die Begegnung schaffen, es wird auf dem Boulevard nur eine Betonplatte sein, die Funktion wird kaum ersichtlich und dem Anspruch des Mahnmals überhaupt nicht gerecht.« Aminde sieht in der Variante hingegen auch Potential, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. »Es muss eine gute Sichtachse zur Keupstraße gewähr­leistet sein. Es wäre möglich, diese Ausgrenzung der Keupstraße zu überwinden. Das wäre dann wie ein Stachel im Fleisch«, sagt er. Die Hoffnung, dass das Mahnmal trotzdem noch an der Ecke Schanzenstraße gebaut wird, hegen die Anwohner jedoch weiterhin.