Die Plastikstrategie der EU ist wirkungslos

Recycelte Ideologie

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Generell sind nichteuropäische Staaten in Sachen Plastik stärker gefordert und nehmen ihre Funktion als ideelle Gesamtkapitalisten entsprechend realistisch wahr. Anstatt eine teure Infrastruktur für Müllentsorgung aufzuziehen, haben bereits 17 afrikanische Staaten angesichts der katastrophalen Entwicklung der vergangenen 20 Jahre Plastiktüten verboten. Auch Indien und China haben sich zu einem Verbot entschlossen, ohne dass wirtschaftliche Nachteile entstanden wären. Das bislang wenig erfolgreiche Beispiel ­Indien allerdings zeigt, dass nicht nur der Konsum, sondern auch die Herstellung von Plastiktüten zumindest streng überwacht werden sollte.
In Europa hat Dänemark bereits 2003 eine Steuer auf Plastiktüten eingeführt, in Irland waren Steuern und individuelle Müllsortierung sehr erfolgreich. In Italien sind Plastiktüten seit 2011 verboten, in Frankreich seit 2016.

Ein unerträglicher Komfortverlust ist nirgends zu beobachten. 60 Prozent des Plastikmülls entstehen aus Verpackungen. Gummibärchen können in Papiertüten, Wasser aus Sprudlern, Käse in Holzspanschachteln und Legosteine in untergliederten Kartons verkauft werden – Plastik ist in den seltensten Fällen unverzichtbar. Bewährte Behältnisse wie Kartonagen, Körbe und Metallboxen sind zwar etwas teurer, dafür ungleich komfortabler in der Verwendung. Es bedarf eines gesellschaftlichen Prozesses, der unverzichtbare Nutzungsweisen von verzichtbaren trennt. Was selbst Entwicklungsländer schaffen, sollte Industrienationen im Stande größtmöglichen Reichtums, großer ­Lebenssicherheit und beispielloser Freiheit möglich sein.

Wenn jedoch nur ein subventionierter Markt für recycelbares Plastik entstehen soll, wie das die EU anstrebt, bedeutet das nicht, dass Plastik durch bessere Materialien ersetzt wird, sondern dass eine industrielle Sparte vom Plastikverbrauch abhängig bleibt und weitere Verbote auf nationaler Ebene durch die EU eher sabotiert werden. Damit wird die EU als Weltmacht an der globalen Verdoppelung des Plastikverbrauchs in den nächsten 20 Jahren teilhaben. Mit der Normierung von Lebensmitteln hat sie bereits Standards gesetzt, die sich nur durch mehr Verpackung einhalten lassen.

Plastikmüll gibt es erst seit rund 50 Jahren, doch er bleibt über 100 Jahre erhalten. Kunststoff zerbricht durch Einwirkung von Reibung, Wärme, Druck und UV-Strahlung in immer kleinere Teile, die irgendwann sogar in die Blutbahn gelangen können. Dort können sie theoretisch Arterien verstopfen und hormonähnlich wirkende Substanzen freisetzen.

Das ist die Hauptangst des Industrielandes Deutschlands, das sein Müllproblem erfolgreich kaschiert hat und Plastikpartikel daher vor allem in den ansonsten klinisch reinen Nahrungsmitteln fürchtet. Viel größer aber sind die Auswirkungen außerhalb Europas. Die globale Warenproduktion erzwang durch Konkurrenzdruck, Schuhe aus Naturrohstoffen durch Flip-Flops und Sneakers, Ton- und Holzschüsseln durch Plastikgeschirr, Kalebassen durch Wasserbeutel und -flaschen zu er­setzen.

Der westliche Konsumstil hat sich von jeher einen Weg in den Süden gesucht und als Fortschritt maskiert. In dessen Namen verpesten in afrikanischen Städten Furane und Dioxine aus der wilden Hausmüllverschwelung die Luft, 10 Millionen Tonnen Plastikmüll landen jährlich im Meer und an einstmals plastikfreien tropischen Stränden.

Dieser globalen Realität spotten die unverbindlichen »Anreize für die Wirtschaft«, mit denen die EU das seit Jahrzehnten bestehende Problem nun lösen möchte.