In Venezuela bleibt Nicolás Maduro nach höchst umstrittenen Wahlen Präsident

Uneins gegen Maduro

Die Präsidentschaftswahl in Venezuela hat wie erwartet er der Amtsinhaber Nicolás Maduro gewonnen. Die ökonomische Krise wird er kaum lösen können, die politischen Konflikte könnten wieder eskalieren.

Die Überraschung blieb aus. Wie von den meisten Beobachtern erwartet, ­sicherte sich Nicolás Maduro bei der mehr als umstrittenen Präsidentschaftswahl in Venezuela am Sonntag eine weitere Amtszeit. Nach Auszählung fast aller Stimmen kam er auf etwa 67,8 Prozent. Sein wichtigster Herausforderer Henri Fálcon erreichte 21, der evangelikale Pastor Javier Bertucci 10,8 Prozent. Abgeschlagen auf Platz vier landete der dissidente Chavist Reinaldo Quijada, der lediglich 0,4 Prozent der Stimmen holte. Die Wahlbeteiligung lag selbst nach offiziellen Angaben gerade einmal bei 46 Prozent, es war die niedrigste bei Präsidentschaftswahlen seit dem Sturz der Militärdiktatur 1958. Bei Maduros erstmaliger Wahl 2013 hatte sie noch bei knapp 80 Prozent gelegen.

Maduro feierte den großen Abstand auf den zweitplatzierten Falcón dennoch als »historischen Rekord« und rief zu einem »nationalen Dialog« auf. Doch dieser scheint unwahrscheinlicher denn je. Noch vor Bekanntgabe der ­offiziellen Wahlergebnisse verkündete ein zerknirschter Falcón, die Wahl nicht anzuerkennen, da die Regierung sich nicht an die vereinbarten Regeln gehalten habe, und schlug eine Wiederholung im Oktober vor. Kritik an der Mehrheit der rechten Opposition, die zum Wahlboykott aufgerufen hatte, konnte er sich aber nicht verkneifen. »Je höher die Enthaltung, desto mehr Möglichkeiten der Kontrolle für die Regierung«, sagte der frühere Gouverneur des Bundesstaats Lara. Vor allem kritisierte er die Koppelung von Sozialleistungen an das Wahlverhalten. Wie bei vorangegangenen Abstimmungen hatten Regierungsanhänger nahe den Wahllokalen sogenannte rote Punkte aufgebaut, kleine Zelte mit Tischen, an denen sich die Wählerinnen und Wähler registrieren lassen konnten und im Gegenzug für die Teilnahme an der Wahl Aussicht auf Bonuszahlungen erhielten. Ähnliche »blaue Punkte« hatte in der Vergangenheit auch die Opposition zur Mobilisierung genutzt. Für welchen Kandidaten im Wahllokal letztlich gestimmt wird, kann jedoch niemand kontrollieren. Die Wahl entschieden hat wohl weniger die klientelistische Einflussnahme auf die chavistischen Stammwähler als die Spaltung der Opposition und der Zeitpunkt der Abstimmung.

Die Wahl entschieden hat wohl weniger die klientelistische Einfluss­nahme auf die chavistischen Stammwähler als die Spaltung der Opposition.

Das rechte Parteienbündnis »Tisch der demokratischen Einheit« ist praktisch zerfallen. Seine prominentesten Politiker Leopoldo López und Henrique Capriles ließ die Regierung von der Wahl ausschließen, Falcón verließ das Bündnis im Streit um die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl. Im schleppend verlaufenden Wahlkampf wiederholte Fálcon gebetsmühlenartig, dass Umfragen zufolge 80 Prozent der venezolanischen Bevölkerung den Amtsinhaber Maduro ablehnten. Doch konnte er dieses Potential angesichts des Wahlboykotts der meisten Oppositionsparteien nicht annähernd ausschöpfen.

Mittels der von ihr kontrollierten Verfassunggebenden Versammlung hatte die Regierung den Wahltermin von Dezember auf Mai vorgezogen. In den vergangenen zwei Jahren, als sie politisch noch erfolgreich war, hatte die rechte Opposition selbst vorzeitige Neuwahlen gefordert. Verhandlungen zwischen den beiden großen politischen Lagern über den Termin und die Bedingungen der Wahl waren im Januar jedoch in letzter Minute gescheitert. Somit trat Falcón gegen den Willen seiner einstigen Mitstreiter an, die ihm vorwarfen, mit seiner Kandidatur der Regierung in die Hände zu spielen.

Als früherer Anhänger des 2013 ­verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez hätte sich Falcón durchaus als aussichtsreicher Kandidat der Mitte darstellen können. Tatsächlich aber stieß er in beiden politischen Lagern auf Skepsis. Im Wahlkampf versprach er unter anderem, den US-Dollar als Zahlungsmittel einzuführen, die Verstaatlichungen der vergangenen Jahre auf den Prüfstand zu stellen, den In­ternationalen Währungsfonds (IWF) um Kredite zu bitten und den staatlichen Erdölkonzern PDVSA für privates Kapital zu öffnen. Die Opposition steht nun vor der Aufgabe, sich neu zu formieren und die internen Zerwürfnisse zu überwinden.

Doch auch für Maduro ist es keineswegs der proklamierte »historische Sieg«. Die Regierung hat inmitten einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise noch die Zustimmung von 25 bis 30 Prozent der Wahlberechtigten. Das liegt unter anderem an klientelistischen Strukturen, dem Druck, der auf Staatsangestellte ausgeübt wird, und der Angst, dass eine rechte Regierung linke Organisierung noch weiter erschweren würde. Gegen einen starken gemeinsamen Kandidaten der Opposition hätte es für Maduro wahrscheinlich nicht gereicht.

Die Probleme Venezuelas wird die Wahl ohnehin kaum lösen können. Die USA, die EU, Kanada sowie die meisten lateinamerikanischen Staaten erkennen Maduros Wahlsieg nicht an. Der Präsident versprach im Wahlkampf immer wieder, nach der Wahl entschiedene Schritte zur Erholung der Wirtschaft und gegen die Spekulation einzuleiten. Konkrete Maßnahmen nannte er bisher jedoch kaum.

Offizielle Wirtschaftsdaten gibt es bereits seit Jahren nicht mehr, der IWF prognostiziert für 2018 eine Inflationsrate von fast 14 000 Prozent. Weil sich die Preise am Schwarzmarktkurs des US-Dollars orientieren, ist die Kaufkraft in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Nach der jüngsten Erhöhung am 1. Mai liegt der monatliche Mindestlohn inklusive Lebensmittelgutscheinen bei gut 2,5 Millionen Bolívares, auf dem Schwarzmarkt bekommt man dafür noch knapp vier US-Dollar. Die meisten Menschen sind auf direkte Zuwendungen der ­Regierung angewiesen. Hinzu kommen der Verfall der öffentlichen Dienstleistungen, ein stetiger Rückgang der Erdölproduktion und eine hohe Alltagskriminalität.

Wenig deutet derzeit darauf hin, dass es der Regierung gelingen könnte, die Hyperinflation in den Griff zu bekommen und die Lebensbedingungen der Bevölkerung in näherer Zukunft wieder zu verbessern. Sobald die rechte Opposition eine gemeinsame Linie findet, könnten die politischen Konflikte in Venezuela wieder eskalieren. Letztlich ist es vor allem die verheerende Wirtschaftslage, die Maduro doch noch zu Fall bringen könnte.