Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft sorgen sich um das Atomabkommen und das Geschäft mit dem Iran

Abkommen retten, Wirtschaft schützen

Die Bundesregierung hält am sogenannten Atomabkommen mit dem Iran fest und belastet damit die Beziehungen zu den USA. Deutsche Unternehmer fordern staatlichen Schutz für den Handel mit dem Iran.

Als das Bayerische Fernsehen am 11. Mai in seiner Nachrichtensendung »Rundschau« die Leiterin des ARD-Studios in Teheran, Natalie Amiri, live zuschaltete, hatte diese für die Zuschauer eine Nachricht, die sie offenbar für eine gute hielt. Angesprochen auf die Rede von Ahmad Khatami während des Freitagsgebets in Teheran an diesem Tag, in der der hochrangige Geistliche einmal mehr mit der Zerstörung Israels gedroht hatte, beschwichtigte Amiri, das seien zwar gewiss »schwere Kaliber, die heute aufgefahren wurden«. Doch das sei »nicht die allgemeine Meinung, das ist nicht die Meinung der Regierung, das ist heute das Freitagsgebet gewesen, an dem kommt es traditionell immer zu aggressiven Aussagen«. Außerdem habe Khatami »heute nochmals die Menschen dazu aufgerufen, nur ›Tod Israel!‹ und nur ›Tod Amerika!‹ zu rufen und nicht ›Tod Europa!‹«. Zwar gilt Khatami in Deutschland den meisten als »Reformer«. Das hinderte Amiri jedoch nicht daran zu behaupten: »Selbst die Hardliner hegen noch die letzte Hoffnung, dass Europa es irgendwie richten wird und dass man immer noch im Atomabkommen bleiben kann.«

Das Freitagsgebet muss man sich demnach wohl ungefähr so vorstellen wie den politischen Aschermittwoch bei der CSU, bloß dass es wöchentlich stattfindet und nicht nur einmal im Jahr – ein ebenso bezeichnender wie absurder Versuch des öffentlich-rechtlichen Senders, die Gefahr herunterzuspielen, die vom iranischen Regime ausgeht. Folgt man der ARD-Korrespondentin in Teheran, dann besteht jedenfalls noch Grund zur Zuversicht, solange die Regimetreuen im Iran nur dem von ihnen so bezeichneten »kleinen« und dem »großen Satan« das baldige Ableben wünschen, aber nicht Europa. Denn die EU steht zum Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), meist als Atomabkommen bezeichnet, der im Sommer 2015 in Wien beschlossen wurde.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte jüngst nach einem Treffen mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Mike Pompeo: »Wir schlagen zwei völlig unterschiedliche Wege ein.«

Der US-amerikanische Präsident Donald Trump hat die Vereinbarung hingegen aufgekündigt, weil der Iran nach seiner Ansicht mit ihr nicht eingehegt und von seinen nuklearen Ambitionen abgebracht werden kann – ein Schritt, den die israelische Regierung begrüßte. Beiden schlägt seither in Deutschland Empörung entgegen. Schon nachdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mehrere Regalmeter geheimer Akten zum zwischen 1999 und 2003 betriebenen iranischen Atomprogramm vorgestellt hatte, an die der Mossad israelischen Angaben zufolge in den Wochen zuvor im Iran gelangt war, hatten Politik und Medien hierzulande gereizt reagiert: Das sei alles nicht neu und schon gar kein Beweis für das andauernde iranische Streben nach Atomwaffen, hieß es, außerdem erfülle der Iran inzwischen seine Verpflichtungen. Im Übrigen sei für die Angelegenheit nicht die israelische Regierung zuständig, sondern die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), so die verbreitete Kritik hierzulande.

Nach dem Ausstieg der USA aus dem JCPOA nahmen die Reaktionen vor allem in deutschen Medien an Schärfe sogar noch einmal deutlich zu: Trump wurde vielfach vorgeworfen, den Nahen Osten in Flammen zu setzen, ja die gesamte Welt an den Rand eines Kriegs zu führen. Symptomatisch für die deutsche Berichterstattung ist ein Kommentar des ARD-Politikmagazins »Panorama«, in dem es heißt, die USA würden »von moralisch Verwahrlosten regiert«; das »Schlechteste der amerikanischen Gesellschaft« habe sich »durch die Institutionen nach oben gespült« und zeige in der Iran-Politik »sein hässliches Gesicht«. Angesichts dessen falle es dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani »nicht schwer, seine geistig-moralische Überlegenheit zu zeigen«. Georg Restle, der Redaktionsleiter des ARD-Magazins »Monitor«, twitterte gar am Jahrestag der Kapitulation des NS-Regimes: »Und das am 8. Mai: Oberster Kriegstreiber sitzt im Weißen Haus.«

Dabei hatte die US-Regierung durchaus nachvollziehbare Gründe für den Ausstieg genannt: Das Abkommen habe keine Probleme gelöst, sondern vor allem dem finanziell stark angeschlagenen iranischen Regime Geld in die Kriegskasse gespült und einen Zeitgewinn verschafft. Das ist nicht von der Hand zu weisen: Der JCPOA läuft 2025 aus, bis dahin kann der Iran sich konsolidieren, ohne sein Atomwaffenprogramm aufgeben zu müssen. Zwar mag die Zahl der Zentrifugen reduziert und die Urananreicherung begrenzt worden sein, dennoch stellt kein Experte in Abrede, dass das iranische Regime dann höchstens ein Jahr benötigen würde, um genügend Material für eine Bombe herzustellen. Hinzu kommt, dass der Iran, während der JCPOA gilt, seine Trägersysteme für Mittelstreckenraketen in aller Ruhe auf den neuesten Stand bringen und Israel schon einmal ins Visier nehmen kann. Darüber hinaus tragen die Vereinbarungen dazu bei, dass der Iran nahezu ungestört seine aggressive Außenpolitik fortsetzen kann. Angesichts dieser hegemonialen Ambitionen, die nicht nur für Israel eine Bedrohung sind, haben Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen begrüßt.

 

Die Bundesregierung aber will an dem Deal und den Wirtschaftsbeziehungen zum Iran festhalten. Dadurch vergrößern sich die Differenzen im transatlantischen Bündnis erheblich. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) etwa sagte jüngst nach einem Treffen mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Mike Pompeo in Washington: »Wir schlagen zwei völlig unterschiedliche Wege ein.« Deutsche und Europäer seien »entschlossen, alles dazu beizutragen, dieses Abkommen aufrechtzuerhalten, den Iran auch bei der Stange zu halten«. Noch deutlicher wurde Jürgen Trittin (Grüne), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Er lobte den JCPOA nicht nur als »wichtigsten Schritt in Sachen realer nuklearer Abrüstung der vergangenen zehn Jahre« und als »Musterbeispiel für Multilateralismus«, sondern forderte auch unumwunden, Europa müsse zukünftig mit Russland und China »an einem Strang ziehen«, die Atomvereinbarung »vor den USA retten«, die »nicht mehr der verlässliche Partner« seien, »der sie in der Vergangenheit waren«, und »den Euro zu einer wahrhaft globalen Währung ausbauen, um bei internationalen Geschäften größere Unabhängigkeit vom US-Dollar zu schaffen«.

Vor allem um diese internationalen Geschäfte ging es beim Atomdeal; nicht zufällig war der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit hochrangigen deutschen Wirtschaftsvertretern nach Teheran geflogen, kaum dass die Tinte unter dem Abkommen getrocknet war. Nun müssen deutsche Unternehmen ihre Geschäfte im Iran binnen 180 Tagen abwickeln, wenn sie US-Sanktionen vermeiden wollen. Angesichts des erheblich größeren Volumens, das sie bei Ausfuhren in die Vereinigten Staaten erzielen – im Jahr 2017 waren es Güter im Wert von mehr als 110 Milliarden Euro, während sich die Exporte in den Iran auf drei Milliarden Euro beliefen –, ist der ökonomische Druck erheblich.

Empört zeigte sich deshalb Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Deutsche Unternehmer seien von der Bundesregierung nach Abschluss des Atomabkommens »regelrecht aufgefordert worden, wieder Geschäftskontakte mit dem Iran herzustellen«, sagte er der Passauer Neuen Presse. Die Bundesregierung solle sich deshalb »innerhalb der EU und gegenüber den USA verstärkt für die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Beziehungen einsetzen und das Atomabkommen retten«. Es gehe um »die unmittelbare Schadensbegrenzung und den Bestandschutz für laufende Verträge«.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sicherte den Unternehmern in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zwar »Schadensbegrenzung« zu und sagte, er wolle mit »allen betroffenen Unternehmen darüber reden, was wir tun können, um die negativen Folgen nach Möglichkeit zu begrenzen«. Es dürfte jedoch vorerst nur eine Alternative dazu geben, die Aufforderung der US-Regierung zu befolgen und die Geschäftsbeziehungen zum Iran einzustellen: Der deutsche Staat könnte die Einbußen durch etwaige US-Sanktionen ausgleichen, etwa über einen Fonds. Ob es dazu kommen wird, ist noch offen.

 

Zuletzt geändert am 31.05.2018