Small Talk mit Bettina S. Dörr, Pressesprecherin des Wolfsbüros Niedersachsen

»Wölfe brauchen zwei bis drei Kilogramm Fleisch am Tag«

19 Verbände von Jägern, Viehhaltern und Waldbesitzern forderten kürzlich, die weitere Ausbreitung von Wölfen durch Abschüsse zu verhindern. Denn die Raubtiere reißen auch Nutztiere wie Schafe. ­Bettina S. Dörr hat mit der Jungle World gesprochen. Sie ist Pressesprecherin des Wolfsbüros Niedersachsen, das dem Umweltminis­terium des Landes untersteht.
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Wie viele Wölfe gibt es derzeit in Niedersachsen?
Eine genaue Zahl lässt sich nicht angeben. Die Monitoringstelle in Niedersachsen macht unter wolfsmonitoring.com aktuelle Angaben zu den territorialen Vorkommen. Es gibt zurzeit 13 Rudel, vier Wolfspaare, einen Einzelwolf. Wenn man davon ausgeht, dass ein Rudel aus fünf bis zehn Tieren besteht, hat man es bei 13 Rudeln mit 65 bis 130 Tieren zu tun. Man kann also in Niedersachsen von einer Zahl zwischen 74 und 139 Wölfen ausgehen.

Ab welcher Zahl wäre von einer stabilen Population zu sprechen?
Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten güns­tigen Erhaltungszustand. Für diesen sind nicht nur Zahlen relevant, sondern auch andere Rahmenbedingungen. Derzeit ist dieser ­Zustand in Niedersachsen noch nicht erreicht.

Wie viel Nahrung vertilgt ein Wolf am Tag?
Etwa zwei bis drei Kilogramm Fleisch am Tag.

Angaben des Deutschen Bauernverbands zufolge haben Wölfe 2017 in Niedersachsen 403 Nutztiere getötet. Stimmt das mit ­Ihren Informationen überein?
Wir haben etwas weniger Fälle registriert, etwa 360.

Wie läuft der Entschädigungsprozess für die betroffenen Viehhalter ab?
Als Landesbetrieb haben wir dazu klare Vorgaben. Die Gelder, die wir auszahlen – seien es die sogenannten Billigkeitsleistungen, also Entschädigungen, oder Leistungen für den Herdenschutz –, kommen aus Steuergeldern. Das gewöhnliche Prozedere sieht so aus: Ein Tierhalter hat einen mutmaßlich von einem Wolf verursachten Nutztierschadensvorfall. Dann ruft er den regionalen Wolfsberater an. Dieser kommt vorbei, dokumentiert den Fall mit Fotos und ­einem Protokoll und nimmt, wenn möglich, DNA-Proben. Die Proben werden ins Senckenberg-Institut in Gelnhausen bei Frankfurt am Main geschickt, das Referenzlabor für Wolfsgenetik in Deutschland. Das Labor teilt uns dann das Ergebnis mit: Wolf oder nicht.

Viehhalter bemängeln häufig, der Prozess dauere zu lange.
Der Entschädigungsvorgang kann aus bestimmten Gründen länger dauern. DNA-Proben kann man nicht einfach nass verschicken, sonst würden sie verderben. Der Wolfsberater nimmt also die Probe mit, trocknet sie zwei Tage lang, schickt sie mit der Post an uns, wir schicken sie weiter ins Labor. Aus den gesamten Untersuchungsergebnissen, also aus Fotos, DNA-Analyseergebnissen und dem Protokoll, fertigen unsere Veterinäre dann die sogenannte amtliche Feststellung an, beurteilen also, ob es sich um einen von einem Wolf verursachten Schadensfall handelt. Sollte es ein Wolf gewesen sein, hat der Tierhalter Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, in Niedersachsen allerdings nur, wenn er über einen wolfsabweisenden Mindestschutz verfügt, also einen Zaun oder ­einen Herdenschutzhund.

Wie aufwendig ist es, einen solchen Zaun anzubringen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Elektrozäune sind gebräuchlich, es gibt sie auch in mobiler Ausführung zum Umkoppeln auf verschiedenen Weideplätzen. Aufwendig ist das, allerdings braucht ein Schäfer ohnehin Zäune. Der wolfsabweisende Zaun muss eine Mindesthöhe von 90 Zentimetern haben. Zudem benötigt er einen sogenannten Untergrabeschutz, zum Beispiel eine Elektrolitze in maximal 20 Zentimetern Höhe, damit der Wolf sich nicht unter dem Zaun durchgraben kann. Dieser Untergrabeschutz ist eminent wichtig. Es gibt auch feste Zäune, die nicht umgekoppelt werden. Sie sollten etwa 120 Zentimeter hoch sein und natürlich auch über einen Untergrabeschutz verfügen.