Die Geschichte der Behörde Immigration and Customs Enforcement (ICE)

Eisiges Endspiel

Mit der Behörde namens Immigration and Customs Enforcement (ICE) wurde in den vergangenen Jahren ein Abschiebeapparat in den USA aufgebaut, der weitreichende Befugnisse hat.

Wie konnte es dazu kommen? Warum werden derzeit in den USA Migrantenkinder von ihren Eltern getrennt, hinter Drahtgittern eingesperrt und womöglich bald dauerhaft mit ihren Eltern in Militärlagern interniert? Wer das verstehen möchte, muss sich mit der ­Geschichte der Behörde und ihrer Agenten befassen, die Immigranten aus Mittelamerika jagt.
Seit 15 Jahren erst gibt es das US-Department of Homeland Security und seine Unterabteilung, die dieser Tage häufig in den Schlagzeilen ist, die Immigration and Customs Enforcement, kurz ICE. Die Ursprünge des Abschie­beapparats liegen – wie viele andere Überwachungsmaßnahmen und jün­gere Exzesse des militärisch-industriellen Komplexes der USA – in der Terrorangst, ausgelöst durch die Anschläge von 9/11.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs müsse eine »stärkerer Fokus auf die Verteidigung des Heimatlands« gelegt werden, empfahl die Ende der neunziger Jahre vom Verteidigungsministerium eingesetzte Hart-Rudman-Kommission bereits in ihrem Abschlussbericht im Februar 2001. Dazu sollten – unter anderem – die Katastrophenschutzbehörde FEMA, die Zollbehörde, die Grenzschutzbehörde und die Küstenwache unter ­einem Dach zusammengefasst werden und so »Synergien« erzeugen und ein stärkeres und effektiveres System schaffen.

Er werde eine »deportation force« – eine Abschiebetruppe – einrichten, sagte Trump im Wahlkampf.

Die Neokonservativen in der Regierung von Präsident George W. Bush, Gegner überbordender Bürokratie, waren nicht begeistert. »Homeland ­Defense«, wie das Ministerium zunächst heißen sollte, das »klinge doch eher deutsch als amerikanisch«, schrieb US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einem später bekannt gewordenen Memo. Selbst bei US-amerikanischen Konservativen gab es offenbar ein Unbehagen an dem Begriff. Die ­Soziolinguistin Deborah Tannen fand, dass »für amerikanische Juden – und ich bin amerikanische Jüdin« der Begriff eine »bedrohliche Assoziation« enthalte. Homeland erinnere sie an den nationalsozialistischen Heimatbegriff und homeland defense an den Nazi-Begriff »Heimatschutz«.

Unter dem Druck der Öffentlichkeit und in Reaktion darauf, dass verschiedene Geheimdienste vor 9/11 offenbar nicht ausreichend zusammengearbeitet hatten, gaben Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld 2002 nach. Man einigte sich auf die Bezeichnung »Homeland Security«, um die Kompetenzen der Behörde von denen des Verteidigungsministeriums abzugrenzen. Auf die Frage, ob der Name der Behörde unamerikanisch sei, sagte der erste Direktor des Heimatschutzministeriums, Tom Ridge, er habe ­»keine Ahnung«, wo der Begriff etymologisch herkomme.

Zweiflern hielt er entgegen: »Wir sagen doch immer, wenn die Heimatstadt sicher ist, ist das ­Heimatland sicher.«
Insgesamt 170 000 Mitarbeiter von 22 Bundesbehörden wurden in der neuen Superbehörde zusammengefasst, darunter auch der Immigration and Naturalization Service (INS) – die Einwanderungsbehörde, die vorher dem Justizministerium unterstanden hatte. »Der fortgesetzten Bedrohung durch den Terror setzen wir eine vereinte und effektive Antwort entgegen«, verkündete US-Präsident Bush 2002. Zur Terrorbekämpfung gehörte nun auch der Umgang mit Migration. Die Umstrukturierung der Zuständigkeiten sende die Botschaft, dass Migration eine ­Bedrohung sei, meinten Kritiker. Ein Teil der neuen Superbehörde ist seitdem die Customs and Border Protection (CBP), zuständig für die Außengrenzen. Eine andere Organisation ist für den Schutz vor »Eindringlingen« im Inneren zuständig: die Immigration and Customs Enforcement.

Das Ziel sei eine »Abschieberate von 100 Prozent« und die Schaffung der dazu nötigen Infrastruktur. So steht es in einem ICE-Strategiedokument aus dem Sommer 2003 – sein Titel: »Endgame«. Es beschreibt die Vorsätze der Abschiebeorganisation von ICE namens Enforcement and Removal Operations (ERO) für die folgenden Jahre.