Der Stadtentwicklungsplan »Skopje 2014« hat die mazedonische Hauptstadt monumental verkitscht

Monumente, die keiner braucht

Die mazedonische Regierung hat den Stadtentwicklungsplan »Skopje 2014« ihrer rechtspopulistischen Vorgängerin für beendet erklärt. Statt »tiefer mazedonischer Geschichte« bescherte das Projekt Skopje vor allem hohe Instandhaltungskosten und gravierende Baumängel.

»Welcome to Macedonia« steht in riesigen Lettern auf einer Tafel an der griechisch-mazedonischen Grenze. Sie begrüßt nicht die Besucher der ehemaligen jugoslawischen Republik, sondern prangt als Provokation auf der griechischen Seite, denn Griechenland hat den Namen seines nördlichen Nachbarstaats zum Politikum gemacht hat.

Nach einem Referendum erklärte die Republik Mazedonien 1991 ihre Un­abhängigkeit von der jugoslawischen Föderation und forcierte die Stiftung ­einer nationalen Mythologie, was die bislang latenten Spannungen mit den Nachbarstaaten verschärfte. Bereits 1967 hatte sich ein Streit zwischen der ­jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien und Bulgarien entzündet, weil Bulgarien eine Politik der Assimilierung gegenüber der mazedonischen Minderheit und ihrer Sprache verfolgte. Im selben Jahr verfügte Josip Broz Tito die Autokephalie, die Autonomie der mazedonischen Kirche, die die serbische Orthodoxie bis heute nicht akzeptiert. Der 1978 bei griechischen Aus­grabungen in der Grabkammer von Philipp II. gefundene, 16strahlige »Stern von Vergina« bildete schließlich den Auftakt eines Kampfes um die Deutung der hellenistischen Antike, die sowohl Griechenland als auch Mazedonien als Tradition für sich reklamieren. Auf Ini­tiative der antikommunistischen Diaspora gelangte der Stern 1992 auf die erste Flagge des unabhängigen Mazedonien.

Katerina Kolozova forscht am Institute of Social Sciences and Humanities ­Research in Skopje über diese politische »Antikisierung« und erinnert sich: »Ich war schockiert, als ich das Symbol im Parlament gesehen habe. Was ist das? Wie kann das unser Symbol sein? Niemand hat eine Ahnung, was das ist, und eine Beziehung dazu.« Trotz intensiver Bemühungen der Regierung ist die öffentliche Meinung in dieser Frage weiterhin gespalten. In einer Studie des Instituts aus dem Jahr 2013 erklärten lediglich sechs Prozent der Befragten die Antike zur wichtigsten Epoche für die mazedonische Identität. Je ein Fünftel der Stimmen entfielen auf die Slawenapostel Kyrill und Method und das sozialistische Jugoslawien.

Weil die griechische Region Makedonien den Stern von Vergina bereits auf einer inoffiziellen Flagge führte und Gebietsansprüche befürchtete, verhängte die griechische Regierung 1994 ein Embargo gegen Mazedonien und blockierte dessen Integration in internationale Strukturen und die Anerkennung des Staatsnamens. Den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen und die von den anderen Bündnismitgliedern unterstützte Aufnahme Mazedo­niens in die Nato verhinderte Griechenland im Jahr 2004 durch ein Veto.

»In jeder historischen Periode wurde das Vorherige verdrängt, obwohl das multiethnische Skopje eine Stadt der Brüche und des permanenten Wandels ist.« Natali Veleska, Architekturstudentin

Nach dem Scheitern des Nato-Beitritts verstärkte die damals in Mazedonien regierende Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit (VMRO-DPMNE) ihren identitären Rückbezug auf die Antike durch neue Schwerpunktsetzungen in den Schulbüchern und rief eine Kampagne zur »Hebung der nationalen Würde und des Optimismus« aus. Der internationale Flughafen in Skopje und seine Zubringerstraße wurden nach Alexander von Mazedonien, das National­stadion nach seinem Vater Philipp II. umbenannt. Die Partei bezeichnete diese offensive Geschichtspolitik in ihrem Wahlprogramm als »Wieder­geburt in 100 Schritten«. Ihren radikalsten Ausdruck fand sie im Stadt­umbauprojekt »Skopje 2014«, das die Hauptstadt in ein »offenes Museum« ­verwandeln und die jugoslawische Vergangenheit aus dem Stadtbild verdrängen sollte.

Seit dem Regierungsantritt des linken Bündnisses Syriza in Griechenland 2015 und einer neuen Regierungskoalition unter Führung der sozialdemo­kratischen Partei SDSM 2017 in Mazedonien gibt es jedoch Zeichen der An­näherung. Am 17. Juni unterschrieben die Außenminister der beiden Länder eine Vereinbarung, nach der Mazedonien die Bezeichnung Severna Make­donija (Nordmazedonien) annehmen soll. Der Schritt wurde auf beiden ­Seiten von nationalistischen Protesten begleitet.

Wird der neue Name vom mazedonischen Parlament und schließlich in einem Referendum akzeptiert, will Griechenland seine Blockade der Aufnahme Mazedoniens in die Nato und die EU aufgeben.