Laborbericht - Hühner und Menschen werden auf die Waage gestellt

Hühner und Menschen

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Eigentlich fällt die Menschheit auf unserem Planeten kaum ins Gewicht. Zumindest quantitativ betrachtet: Alle 7,5 Milliarden Exemplare des Homo sapiens zusammengenommen bringen es auf gerade mal 0,01 Prozent der gesamten Biomasse der Erde. Das haben US-amerikanische und israelische Forscher in einer Studie errechnet, die sich erstmals an einem Gesamtzensus alles Lebendigen versucht.

Nun lassen sich Blauwale nicht mal eben auf die Waage legen, außerdem braucht man eine ungefähre Vorstellung von der jeweiligen Populationsgröße. Hinzu kommt, dass man beispielsweise das Gewicht einer größtenteils aus Wasser bestehenden Qualle nicht direkt mit dem von verholztem Grünzeug vergleichen kann. Als gemeinsamer Maßstab diente ­daher Kohlenstoff, der als Universalbaustoff des Lebens so etwas wie den Sechser-Legostein der Biochemie darstellt. Das Ergebnis dieser Metastudie epischen Ausmaßes: Zur Enttäuschung aller Mikro­biologen machen Bakterien nur etwa 15 Prozent der Biomasse des Planeten aus und landen damit weit abgeschlagen auf Platz zwei hinter den Pflanzen mit ihren 80 Prozent (etwa 450 Gigatonnen Kohlenstoff). Mehr als die Hälfte der restlichen fünf Prozent beziehungsweise 18 Gigatonnen wird von Pilzen beansprucht, während sich sämtliche Tiere von der Mücke bis zum Elefanten mit zwei Gigatonnen begnügen müssen; der Anteil der Menschheit schlägt dabei mit 0,06 Gigatonnen zu Buche.

Erschreckend unverhältnismäßig ist jedoch unser Einfluss auf die Zusammensetzung der Fauna: 60 Prozent der Gesamtmasse aller Säugetiere besteht aus Nutztieren, gleich danach folgt der Homo sapiens mit 36 Prozent, womit gerade einmal vier Prozent Wildtiere übrigbleiben. Bei den Vögeln entfallen sogar 70 Prozent auf Haushühner und anderes Geflügel – der Hähnchenschenkel dürfte damit für die Paläontologie in ferner Zukunft das Leitfossil unserer Ära darstellen.

Die Forderung, dass diese unter dem Namen Anthropozän als geologische Epoche definiert werden sollte, steht seit Anfang des Jahrtausends im Raum. Die neue Studie untermauert dies erneut, und zwar nicht nur wegen der Hühnerbeine: Seit Erfindung der Landwirtschaft und der nach geologischen Maßstäben kurz darauf einsetzenden industriellen Re­volution sind demnach, wiederum in Biomasse gerechnet, 83 Prozent aller Land- und 80 Prozent aller Meeressäuger verschwunden; Pflanzen hat die Menschheit in den vergangenen 10 000 Jahren auch schon zu 50 Prozent kleingekriegt. Na dann: Gut Holz.