Im US-amerikanischen Ringen wird nicht länger über Missbrauch geschwiegen

Der Trainer, der nichts wusste

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Auffällig ist dabei die Loyalität zumindest einiger ehemaliger Ringer gegenüber Jordan. »Er ist ein toller Mensch«, so Yetts. »Wir hatten so viele tolle Gespräche mit ihm darüber, wie er eines Tages US-Präsident sein würde.« Ein Ringer, der anonym bleiben will, sagte: »Ich bin ihm verbunden bis zum Tod. Ich verstehe einfach nicht, warum er sagt, er wisse von nichts.«

Die Ohio State University scheint zurzeit bemüht zu sein, die Ermittlungen voranzutreiben. Sie hat unter anderem die Anwaltssozietät Perkins Coie angeheuert, die nach ­Angaben der New York Times die Kam­pagne von Hillary Clinton unterstützte und ein Dossier zur Trump-Kampagne und zu deren angeblicher Zusammenarbeit mit russischen Behörden mitfinanzierte.

Die Aufklärungsarbeit im Sport hat allerdings gerade erst begonnen. Die Affäre um Strauss ist der zweite Fall in den USA innerhalb von einem Jahr, bei dem bekannt wird, dass ein hochrangiger Teamarzt über Jahrzehnte systematisch Schützlinge missbrauchte.

Für weitere Aufmerksamkeit sorgte, dass sich diesmal ausschließlich Männer zu Wort meldeten, zudem in einem so männlich konnotierten Sport wie dem Ringen. Die Sportler von der Ohio State University widerlegen die immer noch verbreitete Annahme, sexuelle Belästigung und Missbrauch beträfen nur Frauen.

Das könnte in Zukunft andere dazu ermutigen auszusagen. Tatsächlich äußern sich in jüngster Zeit vermehrt männliche ehemalige Sportler. Zuletzt sagte der ehemalige Footballer Terry Crews aus, dass ihm Adam Venit, der Agent des Schauspielers Sylvester Stallone, an die ­Genitalien gefasst und ihn sexuell belästigt habe. Crews hat mittler­weile in Actionfilmen Karriere gemacht und unter andere in den Filmen der »Expendables«-Reihe mitgespielt. Deren Produzent Avi Lerner, so enthüllte Crews im Februar, habe Druck auf ihn ausgeübt, die Klage fallen zu lassen, wolle er im nächsten Film mitspielen. Crews weigerte sich und verzichtete auf einen erneuten Auftritt in der Filmreihe.

DiSabato fand indessen wenig schmeichelhafte Worte für den Abgeordneten Jordan. Er nannte ihn ­einen Feigling, der es nicht gewagt habe, seine Athleten vor Richard Strauss zu schützen. »Er wusste es, er hat es damals gewusst, und es ist sehr enttäuschend, dass er es jetzt geleugnet hat, nicht einmal, sondern zweimal. Ich habe Jim Jordan nie für einen Feigling gehalten, aber das hier zeigt, dass ihm sein Eigeninteresse an einem hohen Amt wichtiger ist als die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden seiner Freunde und Sportler, die für ihn und mit ihm angetreten sind.«

Der US-Präsident sieht die Sache allerdings anders und unterstützt seinen Parteikollegen. »Jim Jordan ist einer der außergewöhnlichsten Menschen, die ich getroffen habe, seit ich in Washington bin. Ich glaube ihm zu 100 Prozent«, sagte Trump vergangene Woche. Was er von den Ringern hält, machte er ebenfalls deutlich: »Ich glaube ihnen überhaupt nichts.«