Auf ihrem ersten Soloalbum singt Stella Sommer über die Schwierigkeiten des Glücks

Dreizehn Mal tröstende Melancholie

Stella Sommer, eigentlich Sängerin von Die Heiterkeit, hat mit »13 Kinds of Happiness« ein Soloalbum aufgenommen, auf dem nicht nur die Einsamkeit und das Glück, sondern auch trällernde Vögel Platz finden.

Wer von sich behaupten kann, selbst auf das Thema Tod gelassen zu reagieren, hat vermutlich die Ruhe weg. Ein höheres Maß an Gefasstheit ist schwerlich drin. Die Musikerin Stella Sommer scheint über eben diese Ruhe zu verfügen. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk beschreibt sie ihr Naturell als derart ausgeglichen, da begegne sie selbst dem Tod stoisch. Doch gleichmütig und gleichgültig sind keineswegs dasselbe. Vielmehr begründen sie zwei verschiedene Daseinsformen, wie es sich hervorragend am Wirken Stella Sommers erkennen lässt.

Sommer schreibt bereits seit ihrem 13. Lebensjahr Songs und hat jahrelang Klavier- sowie Cellounterricht bekommen. Besonders Letzteres dürfte einigen selbsternannten Musikexperten aufstoßen. Denn als Sommer zusammen mit Rabea Erradi und Stefanie Hochmuth 2010 das Bandprojekt Die Heiterkeit startete und 2012 mit dem Album »Herz aus Gold« debüttierte, sah sich das Trio mit dem Vorwurf der Stümperei konfrontiert. Da wurde mangelnde Fertigkeit im Gesang und im Umgang mit den Instrumenten diagnostiziert, die nicht Dada und Punk genug war, um als legitimes Strukturmerkmal der künstlerischen Arbeit durchzugehen. Ferner verzichteten die Kritiker selten auf den Hinweis, dass sich die Bandmitglieder ohnehin durch nölige Arroganz hervor­zutun versuchten. »Zu gewollt« sei die vermeintlich überstrapazierte Lässigkeit und Indolenz in Interviews sowie auf Konzerten, so das finale Verdikt.

Wenn Sommers Art der Selbstinszenierung, die nicht ewig lächelnde Gefälligkeit bietet, die renitenten Bessermacher und Meinungsprotzer vom Leibe hält, scheint die Strategie aufgegangen zu sein.

Doch was soll’s: Wenn diese Art der Selbstinszenierung, die nicht ewig lächelnde Gefälligkeit bietet, die renitenten Bessermacher und Meinungsprotzer vom Leibe hält, scheint die Strategie aufgegangen zu sein. Mittlerweile hat sich Die Heiterkeit zum Quartett erweitert, die Gründungsmitglieder Rabea Erradi und Stefanie Hochmuth haben die Band allerdings verlassen. Das 2016 bei Buback veröffentlichte dritte und vorerst letzte Album von Die Heiterkeit, »Pop & Tod I+II«, wurde im Feuilleton begeistert aufgenommen. Davon gänzlich unbeeindruckt ließ Stella Sommer auch diesen Hype an sich vorbeigleiten. Wohl auch, um die an die Band herangetragenen Erwar­tungen weit genug von sich zu weisen. Die Varianz der Reaktionen auf das bisherige Œu­v­re quittiert sie jedenfalls mit dem trockenen Kommen­tar: »Ich wundere mich eigentlich über nichts mehr.«

Dennoch, diese Abgeklärtheit erhebt sich nicht über das Weltgetriebe. Dafür schimmert beispielsweise in den 20 Songs ihres fulminanten Wurfs »Pop & Tod I+II« jene existentielle Verunsicherung durch, die sich aus der Verquickung von Lebens- und Liebesläufen, den Fragen nach Raum, Zeit sowie (Un-)Endlichkeit ergibt. Buback-Betreiber Daniel Richter meinte mal, Die Heiterkeit sei fast schon zu schön. Tatsächlich klang das Versinken in flackernde Ambivalenzen selten so verführerisch.

Nun erscheint Stella Sommers erstes Soloalbum »13 Kinds of Happiness«, das nicht völlig ohne die Standardausrüstung ihrer Band Die Heiterkeit auskommt. So sind mit Hanitra Wagner (Hintergrundgesang) und Philipp Wulf (Schlagzeug, Perkussion) zwei aktuelle Heiterkeit-Mitglieder dabei, während sich Sommer in – Überraschung! – 13 Songs weiter an der Erfahrung abarbeitet, dass im Sinne Arthur Schopenhauers wohl »jede Lebensgeschichte eine Leidensgeschichte« ist. Und auch auf dieser Platte tritt Sommer nicht als große Erzählerin von Geschichten auf, obgleich ihr Gesang solches nahelegt: Das Raunende haftet ihrer gesetzt warmen Altstimme allemal an. Erneut sind es mehr Skizzen, Andeutungen von (Seins-)Zuständen und Begegnungen, bei stetigem Wechsel der Sprecherposition – auch innerhalb eines Songs.

Der Eröffnungstrack »13 Kinds of Happiness« ist ein dramaturgisches Glanzstück, in dem allmählich der sinistre Synthesizer, das mit Bedacht akzentuierte Schlagzeug, das aufwallende Gitarrenspiel, das Piano und die Stimmebenen zu einem Amalgam verschmelzen. Es ist das vertonte Panorama, das sich dem Zuhörer eröffnet, dessen Blick in die Tiefe sowie Weite geht. Was auffällt, ist die Ortlosigkeit des Subjekts im Text. Möglicherweise aber spricht hier ein Bote aus jener Leere, die Ronald D. Laing in »Phänomenologie der Erfahrung« wie folgt beschreibt: »Die ­Leere ist vielleicht nicht leer. Vielleicht ist sie bevölkert von Visionen und Stimmen, Geistern, fremden Gestalten und Erscheinungen. Wer noch nie erfahren hat, wie substanzlos und blass der Prunk äußerer Realität sein kann, der wird die sublimen und wunderlichen Wesen nicht realisieren, die sie verdrängen oder neben ihr existieren können.«

Daher ist es schlüssig, dass Sommers Gesang hier eher einem Orakel gleicht, wenn sie folgende Zeilen anstimmt: »13 Kinds of Loneliness / ­someone to enjoy them with / 13 Kinds of Loneliness / 13 Kinds of Happiness / someone to destroy them with / 13 Kinds of Happiness / 13 Kinds of Loneliness / someone else to share them with«. Zum Liedende hin wird nur noch formelhaft geflüstert, der Songtitel mehrmals wiederholt, als sei er ein Schwur.