Nach dem Prozess gegen Identitäre in Graz plant die rechtsextreme Bewegung nun ein Festival in Dresden

Österreichischer Heimatschutz in Sachsen

Kaum ist der Prozess gegen führende Mitglieder der Identitären Bewegung in Österreich beendet, plant die rechtsextreme Organisation bereits die nächste Veranstaltung – diesmal in Dresden.

Freispruch für alle – zumindest, was die schwerwiegendsten Vorwürfe wie ­»Verhetzung« und »Bildung einer kriminellen Vereinigung« angeht. So ­endete am Donnerstag vergangener Woche der Prozess in Graz gegen ­­17 Kader und Sympathisanten der Identitären Bewegung (IB) in Österreich. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das vom Landesgericht für Strafsachen in Graz gefällte Urteil Berufung ein. Das Gericht war zu der Einschätzung ­gekommen, dass die Identitäre Bewegung und die ihr zugehörigen Vereine nicht zu dem Zweck gegründet worden seien, Straftaten zu begehen – die Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Bewegung. Obwohl aus der Organisation heraus Straftaten erfolgten, konnten die An­geklagten das Gericht letztlich davon überzeugen, dass ihr Hauptbetätigungsfeld der politische Aktivismus sei.

Beim Anklagepunkt der »Verhetzung« – der etwa in dem der Volksverhetzung in Deutschland entspricht – räumte das Gericht zwar ein, dass sie von der IB »unstrittig« betrieben ­werde, jedoch seien alle vor Gericht verhandelten Aktionen interpretationsoffen und ihre Inhalte zum Teil gesellschaftlich breit verankert. Was bei der derzeitigen Lage in Österreich mit ­seiner rechten Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ wohl mehr über den ­gesellschaftlichen und politischen Zustand im Land als über das Wesen der Identitären aussagt.

Große Überraschungen oder gar neue Erkenntnisse über die Identitären brachte der Prozess nicht. Hingegen brachte er das, wovor kritische Beobachterinnen und Beobachter schon vor Prozess­beginn gewarnt hatten: eine oberflächliche Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Organisation und eine verharmlosende Diskussion über ihre Ideologie, bei der Aufrufe, sich zu bewaffnen, sich die Stadt im Straßenkampf zurückzuerobern und Menschen zur »Remigration« zu zwingen, eher als Metaphern einer überspitzten politischen Intervention interpretiert wurden denn als klare Kampfansagen gegen eine pluralistische Demokratie.

Dass es dennoch zu Verurteilungen für zwei Angeklagte wegen Körper­verletzung und Nötigung beziehungsweise wegen Sachbeschädigung kam, dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass das Gericht der Aussage des Rektors der Universität Klagenfurt glaubte. Der Mann war durch einen Faustschlag bei einer Aktion der IB im Rahmen einer Vorlesung an seiner Universität verletzt worden. Das hinterlässt dennoch einen bitteren Beigeschmack, weil es bei einem früheren Prozess in Baden bei Wien, bei dem es um die Stürmung eines Theaterstücks durch Identitäre ging, zu keiner Ver­urteilung gekommen war. Damals war aber auch kein Universitätsrektor das Opfer, sondern es waren normale Besucherinnen und Besucher sowie Menschen mit Fluchterfahrung, die vor Gericht über körperliche Angriffe der Identitären bei der Aktion ausgesagt hatten.

Obwohl der Prozess Kräfte der Identitären band, hielt sie das nicht davon ab, bereits die nächste größere Veranstaltung zu planen.

Die Staatsanwaltschaft versuchte zwar, den Bezug zu anderen IB-Aktionen herzustellen, um die ausgeprägte ­Gewaltbereitschaft der Identitären deutlich zu machen, doch eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit den rassistischen und sexistischen Inhalten der IB fand in dem Prozess nicht statt. Die Bemühungen, die hetzerischen Inhalte vor Gericht zu beweisen, scheiterten, zu sehr ging es lediglich um einzelne Aktionen, während das Gesamtbild nicht ausreichend gewürdigt wurde. Die juristischen Probleme der IB sind aber nicht vorbei. Im Berufungsverfahren könnte das Oberlandesgericht eine erneute Beweisaufnahme beginnen. ­Außerdem dürfte es in absehbarer Zeit zu einem weiteren Verfahren gegen mehrere Kader und Vereine der IB im Rahmen des Finanzstrafrechts kommen.

Obwohl der Prozess in den vergangenen Monaten Kräfte der Identitären band, hielt sie das nicht davon ab, bereits die nächste größere Veranstaltung zu planen. Noch während des laufenden Verfahrens kündigten sie über mehrere Internetseiten eine vom deutschen Trägerverein der Identitären ­angemeldete Versammlung für den 25. August in Dresden an. Auf der Cockerwiese soll unter dem Motto »Europa Nostra – Heimat schützen – Identität verteidigen« ein »Festival« stattfinden, das »ein breites Angebot aus verschiedenen Ausstellern, Rednern und Vor­trägen zur patriotischen Jugendkultur in ganz Europa« bieten werde. Den ­Anmeldern zufolge werden etwa 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ­erwartet. Das würde sich quantitativ zu den bisherigen sogenannten Groß­ereignissen dieser selbsternannten Bewegung passen. Zuletzt hatte es sich dabei aber immer um Demonstrationszüge in Wien und Berlin gehandelt, nicht um stationäre Versammlungen.

 

Auf der Ankündigungsseite finden sich nicht nur die Namen der Chefkader aus Österreich und des von ihnen geführten Merchandise-Stores »Phalanx Europa«. Auch die seit Jahren unter der Ägide der Österreicher entwickelte Smartphone-App »Patriot Peer« soll bei der Veranstaltung in Dresden öffentlich präsentiert werden, nachdem es um die »patriotische Vernetzungsapp« in den vergangenen Monaten still geworden war. Als einziger Kooperationspartner tritt die extrem rechte Vernetzungs- und Finanzierungsplattform »Ein Prozent« (»Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk«) auf. Deren Leiter Philip Stein durfte erst kürzlich auf Einladung der AfD Landesgruppe Sachsen-Anhalt im deutschen Bundestag zum Thema »Linke Förderstrukturen und der neue ›Kampf gegen rechts‹« über einen vermeintlich vom Staat systematisch geförderten »linken Extremismus« reden und ist auch für die Veranstaltung in Dresden bereits als Redner angekündigt.

Dass die Identitären auch in diesem Jahr ihre vermutlich größte öffentliche Aktion nach Deutschland verlagern, zeugt erneut von der im Grazer Prozess nicht ausreichend gewürdigten transnationalen Dimension der Organisation. Gerade Deutschland und Österreich sind, was die IB angeht, mittlerweile als ein gemeinsamer Aktionsraum zu ­betrachten, in dem nicht nur Geld und Kader relativ frei flottieren, sondern in dem auch Aktionen anlassbezogen koordiniert werden.

Bei all den scheinbaren Erfolgen zeugt jedoch die anstehende Veranstaltung in Dresden letztlich von den ­Problemen, mit denen die Identitären zu kämpfen haben. Obwohl bereits feststeht, dass auch die Veranstaltung in Dresden nicht ohne Gegenproteste über die Bühne gehen wird, so ist doch damit zu rechnen, dass der Widerspruch im Gegensatz zu den bisherigen Stationen in Wien und Berlin weniger breit sein dürfte. Wohl nicht umsonst haben die Veranstalter mit Dresden eine Stadt gewählt, in der mit Pegida schon seit Jahren extrem rechte Ver­anstaltungen im fast wöchentlichen Rhythmus stattfinden. Die Mobilisierung dürfte den Identitären wahrscheinlich deutlich leichter fallen.

Die Blamagen der früheren Demonstrationen, die meist nach wenigen ­Hundert Metern wegen der Proteste stoppen mussten, wird es in diesem Jahr wegen der Ortsgebundenheit der Veranstaltung wohl nicht geben. So tritt zwar etwas Stillstand bei den Identitären ein, still geworden sind sie ­allerdings noch lange nicht.