In Italien ist die Rechtsentwicklung bereits deutlich zu spüren

Rassistische Eskalation

Die Rechtsentwicklung in Italien schreitet fort. Wenn es nicht gegen Migranten und Flüchtlinge geht, behindern sich Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in ihren Vorhaben allerdings oft gegenseitig.

Nachdem Papst Franziskus und die italienische Bischofskonferenz über Wochen wiederholt und doch vage beklagt hatten, dass ein »Klima des Misstrauens und der Verachtung« für Geflüchtete herrsche, wurde das katholische Wochenmagazin Famiglia Cristiana in der letzten Juliausgabe deutlich und ­titelte: »Vade retro Salvini«. Für die ­bibelfeste Leserschaft war die Anspielung auf den Vers aus dem Markus-Evangelium, »Weiche zurück, Satan«, leicht zu erkennen. Unmissverständlich wurde Italiens Innenminister Matteo Salvini aufgefordert, seine »aggres­siven Töne« zu mäßigen. Statt bei Parteiveranstaltungen mit einem Rosenkranz in der Hand auf die Bibel zu schwören, solle er die Evangelien lesen und ihrer Aufforderung zur Barm­herzigkeit nachkommen.

Trotz der rassistischen Eskalation und der fortgesetzten faschistischen Provokationen regt sich nur sehr langsam politischer Widerstand.

Zunächst reagierte Salvini betroffen. Der Vergleich sei »geschmacklos«, das habe er nicht verdient. Wenige Tage später gefiel er sich aber schon wieder in der Rolle des Teufelskerls: »Tanti nemici, tanto onore!« (Viel Feind’, viel Ehr’!). Mit diesem Kommentar wies er die von katholischer, liberaler und linker Seite gegen ihn erhobenen Rassismusvorwürfe zurück. Dieser Spruch ist auf Deutsch historisch dem spätmittel­alterlichen Landsknechtsführer Georg von Frundsberg zuzuschreiben, variiert jedoch auch einen Propagandaruf Benito Mussolinis (»Molti nemici, molto onore«). Da Salvini den Tweet ausgerechnet am Geburtstag des Duce ­verschickte, muss er als Gruß an die faschistische Anhängerschaft ver­standen werden. Zumal er zwei Tage später abermals twitterte und erneut mit ­einer Phrase aus Mussolinis propagandistischem Repertoire versicherte, vor nichts und niemandem zurückzuweichen: »Wer stehenbleibt, hat verloren.«

Durch die Omnipräsenz des Innenministers hat der Movimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S) die ihm formal zustehende Rolle des führenden Koalitionspartners in den Augen der Öffentlichkeit eingebüßt. Der M5S begnügt sich damit, die rassistische Kampagne der Lega zu sekundieren. So postete der M5S-Gründer Beppe Grillo vergangene Woche ein Video, in dem er einen Strandwärter spielt, der jeden ­afrikanischen Sonnenbadenden per Handyanruf persönlich bei Salvini meldet. Mittlerweile werden täglich Menschen wegen ihrer Hautfarbe ­gejagt und verletzt, Ende Juli wurde in Aprilia ein Marokkaner von Italienern gar zu Tode geprügelt, weil sie ihn für einen Dieb gehalten hatten. Währenddessen gefällt sich Grillo in der Rolle des besorgten Bürgers, der sich am Strand konfrontiert sieht mit der vom Innenminister wiederholt beklagten »Invasion der Fremden«. Die als Scherz bagatellisierte Entgleisung des Videos gipfelt schließlich in der Drohung, »Luigi« zu bitten, sich »der Sache« anzunehmen. Dem darauf angesprochenen M5S-Sprecher Luigi Di Maio zufolge hat Italien kein Problem mit Rassismus. Eine entsprechende Alarmstimmung werde lediglich von den Medien geschürt. Das »alte Establishment« versuche mit unlauteren Mitteln, die »Regierung des Wandels« zu Fall zu bringen.