Bundespolitiker diskutieren die Wiedereinführung der Dienstpflicht

Pflicht zur Pflege

Regierungspolitiker diskutieren darüber, eine allgemeine Dienstpflicht wiedereinzuführen, um den Mangel an Pflegekräften zu beheben. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die Überlegungen.

»Über das Thema Wehrpflicht oder Dienstpflicht werden wir ganz intensiv noch mal diskutieren müssen.« Mit diesen Worten, Anfang August in einem auf der Website der CDU veröffentlichten Video geäußert, stieß die Generalsekretärin der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, eine neue Debatte über die sogenannte Dienstpflicht an. Zuvor hatte sie eine Rundreise durch Deutschland absolviert, auf der sie den Anliegen der CDU-Basis gelauscht hatte. Diese hadert offenbar mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011.

Allerdings geht es in der Diskussion nicht nur um einen einjährigen Wehrdienst bei der Bundeswehr, den der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg in der FAZ als angesichts einer »unsicheren Weltlage« unabdingbar bezeichnete. Im Mittelpunkt der Debatte steht derzeit der mit der allgemeinen Einberufung zum Wehrdienst abgeschaffte Zivildienst. Eine Aussage des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach zeigt, weshalb das so ist. »Weil die Union damals überstürzt die Wehrpflicht abgeschafft hat und damit auch der Zivildienst wegfiel, fehlen in vielen sozialen Einrichtungen diese Kräfte«, sagte er kürzlich der Presse. Der Mangel an Arbeitskräften im sozialen Bereich und vor allem in der Pflege soll also mit dem Einsatz von Zivildienstleistenden ausgeglichen werden.

Bis zu 100 000 ausgebildete Pflegekräfte fehlen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zufolge derzeit in Krankenhäusern, Altenheimen und Psychiatrien – Zivildienstleistende wären allerdings in der Regel ungelernte Arbeitskräfte. Zudem gibt es bereits das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Träger wie Bund, Länder, Kommunen und soziale Einrichtungen dürfen Personen, die einen solchen Freiwilligendienst leisten, bis zu 381 Euro im Monat zahlen. In der Regel liegt die Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit aber nur bei 150 Euro monatlich. Daniela Milutin, Mitglied des Bundesvorstands von Verdi und Leiterin der gewerkschaftlichen Pressestelle, hält die Wiedereinführung der Dienstpflicht nicht für sinnvoll. »Wenn die Politik junge Menschen unterstützen will, sich mehr für die Gesellschaft zu engagieren, dann sollte sie mehr Geld in das FSJ investieren«, sagte sie im Gespräch mit der Jungle World.

Unterbezahlte, unausgebildete junge Menschen sollen für Entlastung in der Pflege sorgen.

Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Pflege könne entgegen der Annahme einiger Bundespolitiker nicht mit einer allgemeinen Dienstpflicht behoben werden, so die Gewerkschafterin. »Eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen einzuführen, um damit in der Pflege Löcher zu stopfen, ist absurd und hilft nicht weiter.« Derzeit verhandelt Verdi mit der Tarifgemeinschaft der Länder über einen Tarifvertrag zur Entlastung der Beschäftigten an den Universitätskliniken in Düsseldorf und Essen. Seit Wochen streiken dort Hunderte Pflegekräfte und weiteres Krankenhauspersonal.

Dass unterbezahlte, nicht ausgebildete junge Erwachsene für Entlastung in der Pflege sorgen könnten, halten manche Kommentatoren für möglich. So argumentierte beispielsweise Benjamin Konietzny auf NTV, vor der Abschaffung der Wehrpflicht habe in der Pflege kein Personalmangel geherrscht, denn 80 000 Menschen seien jährlich zum Zivildienst in sozialen Einrichtungen einberufen worden. Was solche Kommentatoren nicht berücksichtigen: Den Personalnotstand gab es bereits vor 2011. Er rührt vor allem daher, dass viele Krankenhäuser, Altenheime und Psychiatrien privatisiert wurden und nun Profit erwirtschaften müssen, was mit einer verstärkten Ausbeutung der Arbeitskräfte einhergeht. Besonders die Einführung der Fallpauschalen 2004 erhöhte den Arbeitsdruck im Gesundheitswesen deutlich. Seither wird für jede pflegerische und medizinische Leistung nur noch ein gesetzlich festgesetzter Betrag bezahlt.

Daniela Milutin verweist darauf, dass die Entlastung durch Pflegekräfte erfolgen müsse, die bereits ausgebildet sind. Zudem fordere Verdi eine gesetzlich geregelte Personaluntergrenze und Tarifverträge für alle Beschäftigten. Darüber hinaus strebe die Gewerkschaft an, mehr Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen. »Dafür brauchen wir endlich bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und eine bessere Bezahlung«, so das Bundesvorstandsmitglied.