Platte Buch - »Die Hochhausspringerin« von Julia von Lucadou

Fuck Winning

In ihrem Debütroman »Die Hochhausspringerin« entwirft Julia von Lucadou eine Stadt in einer nicht allzu fernen Zukunft. Die Häuser werden gen Zentrum immer höher, die Wohnungen luxuriöser. In der Peripherie herrscht dagegen das nackte Elend. Dort leben die Underperformer. Den Weg in die Mitte bahnen Casting-Shows. Wer gewinnt, darf in die Stadt umziehen. Dort steht man allerdings unter ständiger Erfolgskontrolle. Alles wird im persönlichen »Credit Score« festgehalten: Einkommen, Fitness, Sozialverhalten und vieles mehr. Jeder muss einen »Activity Tracker« tragen, den man nicht ablegen darf. Steigt der Credit Score, bekommt man eine bessere Wohnung näher am Zentrum; fällt er, droht als letzte Konsequenz die Ausweisung aus der Stadt. Es ist eine sterile und kalte Welt, in der alle emsig daran arbeiten, ihre eigene Persönlichkeit zu verkaufen.

Riva, die gefeierte Hochhausspringerin mit hohem Credit Score und Wohnung in bester Lage, will all das nicht mehr mitmachen. Ihr lebensgefährlicher Beruf besteht darin, sich vom höchsten Gebäude der Stadt zu stürzen, spektakuläre Kunstfiguren vorzuführen und kurz vor dem Aufprall ihren Fluganzug zu aktivieren, der den Sturz abfängt. Jetzt sitzt sie nur noch untätig zu Hause, kurz nachdem sie ein Presseinterview mit den Worten »Fuck winning« beendet hat. Eine Psychotherapeutin wird eingeschaltet, die im Fall ihres Versagens selbst aus der Stadt ausgewiesen wird. Sie lässt daher nichts unversucht, aber Riva lässt sich nicht umstimmen.

Der böse Traum des Neoliberalismus geht hier mit einem Sozialpunktesytem für gutes Verhalten zusammen, wie es in China geplant ist. Erfolg ist in dieser Welt alles, was zählt. Die Sprache des Buchs ist voller Vokabeln aus der Business-Sprache, was die allgemeine Geschäftigkeit unterstreicht. Es ist die lange schon überfällige Dystopie einer Welt, die alle Menschen auf ihre Leistungsfähigkeit reduziert.

Julia von Lucadou: Die Hochhausspringerin. Hanser-Verlag, Berlin 2018, 288 Seiten, 19 Euro