Gegen die geplante Privatisierung der Wasserversorgung El Salvadors gibt es seit Monaten Proteste

Bis zum letzten Tropfen

In El Salvador protestieren Zehntausende gegen die geplante Privatisierung der Wasserversorgung. Selbst die katholische Kirche schaltet sich ein.

»Das Wasser steht nicht zum Verkauf, es wird geschützt und verteidigt«, ­riefen am Donnerstag vergangener Woche rund 20 000 Demonstrantinnen und Demonstranten auf den Straßen San Salvadors. Frauen trugen zum Protest tönerne Wasserkrüge auf dem Kopf, was auf dem Land heutzutage noch ein alltägliches Bild ist.

Seit Juni wird in dem kleinen mittelamerikanischen Staat El Salvador um das Wasser gestritten. Es begann mit der Wahlniederlage der aus der Guerilla entstandenen linken Partei Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) bei den Parlaments- und Gemeinderatswahlen im März. Der FMLN kam auf lediglich 24,61 Prozent, die rechte Partei Arena erreichte 42,6 Prozent. Die ehemaligen Unterstützerinnen und Unterstützer des FLMN warfen der Parteispitze Distanz zur Basis, mangelnde Bemühungen im Kampf gegen Gewalt und Korruption sowie das Festhalten am neoliberalen Wirtschaftsmodell vor. Die rechten und bürgerlichen Parteien nutzten nach den Wahlen ihre absolute Mehrheit im Kongress, um einen Gesetzentwurf für die Privatisierung der Wasserversorgung vorzulegen. Zwar soll eine staatliche Wasserkommission geschaffen werden, diese würde allerdings der Privatwirtschaft und traditionell rechts dominierten politischen Gremien die Entscheidungsgewalt über die ­lebenswichtige Ressource überlassen.

Einem 2016 erschienenen Bericht der Staatsanwaltschaft für Menschenrechte zufolge soll El Salvador schon in 80 Jahren wegen Wasserknappheit unbewohnbar sein.

»Allem sozialen Druck zum Trotz wird die Rechte die Wasserprivatisierung durchsetzen«, befürchtet Javier Rivera. Sie mache das sehr geschickt, indem sie der Privatwirtschaft entscheidende Funktionen übertrage – und das sei sogar im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung zulässig. Der ehemalige Guerillaangehörige Rivera, der sich seit Ende des Bürgerkriegs 1991 in Nichtregierungsorganisationen und als ­politischer Berater gegen genetisch verändertes Saatgut und für Klimagerechtigkeit eingesetzt hat, bleibt skeptisch.

Ein großes Protestbündnis aus Nichtregierungsorganisationen, Kirchen, Universitäten und Umweltinitiativen bringt mit Großdemonstrationen in El Salvador, dessen Fläche gerade einmal so groß ist wie die Hessens, so viele Menschen auf die Straße wie zuletzt in den Jahren um die Jahrtausendwende. Damals gab es Proteste gegen die Privatisierung des Gesundheitssektors. Zwar hatten die aus den sozialen Bewegungen entstandenen Guerillagruppen auch mit dem Ende des Bürgerkriegs 1992 die Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erreichen können, doch die rechte Republikanisch-Nationalistische Allianz (Arena) nutzte die drei ­folgenden Regierungsperioden für eine neoliberale Umstrukturierung des ­Landes. Die Staatsbank, Pensionen und die ­Telekommunikation wurden priva­tisiert und der US-Dollar als Währung eingeführt. All dies trug maßgeblich zur Verarmung der Bevölkerung bei.

Auch die anstehende Privatisierung der Wasserversorgung verheißt nichts Gutes. Wassermangel träfe in erster ­Linie die arme Bevölkerungsmehrheit, sagte Andreu Oliva, der Rektor der Zentralamerikanischen Universität José Simeón Cañas, dem britischen Guardian. Diese verfüge nicht über genügend Ressourcen, um sich überteuertes Trinkwasser leisten zu können. Seit vielen Jahren kämpfen Umweltschützer in El Salvador deshalb für das Recht auf sauberes, erschwingliches und leicht zugängliches Wasser, wie es die Vereinten Nationen im Jahr 2010 als Menschenrecht anerkannt haben.

Eine Privatisierung und damit ­Monopolisierung der Wasserversorgung in El Salvador würden stetig steigende Wasserpreise, einen Verfall des öffentlichen Wassernetzes sowie ein weiteres Anwachsen der Korruption nach sich ziehen, befürchten Menschenrechtler und Umweltschützer. In Mexiko, Honduras, Peru, Brasilien und Argentinien gibt es ähnliche Versuche, die Wasserversorgung zu privatisieren. Nur in ­Venezuela und Uruguay ist es unter linken Regierungen gelungen, Wasser als öffentliches Gut in der Verfassung festzuschreiben.

Der Menschenrechtsorganisation FESPAD zufolge ist der Kampf um das Wasser in El Salvador eng verknüpft mit dem Kampf gegen Großprojekte für den Tourismus und Bergbau sowie gegen Monokulturen wie Zuckerrohrplantagen für Coca-Cola. Proteste gegen solche Vorhaben konnten in El Salvador immer wieder Erfolge erzielen. Im vergangenen Jahr wies das Schieds­gericht des Internationalen Zentrums für die Beilegung von Investitions­streitigkeiten (ICSID) der Weltbank nach langen sozialen und politischen Kämpfen eine Klage des australischen Minenunternehmens Oceana Gold ­gegen El Salvador ab. Das Unternehmen wollte den Staat auf 300 Millionen ­US-Dollar Entschädigung verklagen, weil dieser 2009 einen Abbaustopp in ­einer Goldmine verhängt hatte. Im März 2017 entschied das Parlament, den Abbau von Mineralien im Land zu verbieten. Es war das erste derartige Verbot weltweit.

Auch für den Kampf um die Wasserversorgung war dies ein wichtiger Sieg, denn Bergbauprojekte sind in hohem Maße für die Verseuchung und den übermäßigen Verbrauch von Wasser verantwortlich. Die Aussichten bleiben trotzdem schlecht. Einem 2016 erschienenen Bericht der Staatsanwaltschaft für Menschenrechte zufolge soll El Salvador schon in 80 Jahren wegen Wasserknappheit unbewohnbar sein. Das Land ist nach UN-Angaben eines der vom Klimawandel am stärksten betroffenen in Lateinamerika, da nur noch drei ­Prozent der Landesfläche von Urwald bedeckt sind, das Grundwasser zu 90 Prozent verseucht ist und extensive Anbaumethoden die Böden zerstört haben. So haben in den vergangenen Jahren anhaltende Dürren dazu bei­getragen, dass Bohnen als eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Bevölkerung nicht mehr im Land ­produziert werden, sondern importiert werden müssen.

Wasser sei Leben und ein universelles Recht, sagte dieser Tage auch San Salvadors Erzbischof José Luis Escobar und bat im Namen der katholischen Kirche die Abgeordneten, endlich das 2012 vorgelegte »Allgemeine Wassergesetz« ­anzunehmen, um die Wasserversorgung zu schützen. Selbst der Vatikan ist aufmerksam geworden. Dort soll in zwei Wochen mit Oscar Romero einer von Escobars Vorgängern heiliggesprochen werden. Der einstige Erzbischof von San Salvador prangerte in seinen Messen die Militärdiktatur an und wurde deswegen am 24. März 1980 von einer Todesschwadron des stellvertretenden Geheimdienstchefs und späteren Arena-Politikers Roberto D’Aubuisson in ­einer Messe erschossen.

Eine gigantische Pappmachéfigur von Oscar Romero führte vergangene ­Woche auch den Demonstrationszug an, zwei weitere stellten eine Salva­dorianerin und einen Salvadorianer dar. Die Protestierenden fühlen sich dem Befreiungstheologen immer noch tief verbunden.