Die Verkehrsminister der CSU kann man am besten mit Hilfe von Allegorien verstehen

Ein Zoo namens CSU

Seite 2 – Scheuer spechtet

Dahingegen verfügt der Pfau nach dem Wort des anonymen Naturforschers über »sehr schöne Farben und prächtige Flügel, er spaziert hierhin und dorthin, hat Freude an seinem Aussehen, schüttelt sein ­Gefieder, macht ein Rad und betrachtet sich wohlgefällig. Doch wenn er nach seinen Füßen sieht, schreit er wild und klagend auf, denn seine Füße passen nicht zu seiner sonstigen Gestalt.« Sein Exempel warnt den Christen vor Hochmut und davor, seine eigenen Fehler zu über­sehen.

Seit dem 14. März amtiert Andreas Scheuer als Verkehrsminister. Unter Ramsauer war er bereits vier Jahre lang als Staatssekretär im Ministerium tätig. Zurzeit machen ihm we­niger die Erblasten der PKW-Maut zu schaffen als die Folgen der LKW-Maut: Mautbetreiber Toll Collect, der zu je 45 Prozent dem Daimler-Konzern und der Deutschen Telekom gehört, werden falsche und deutlich überhöhte Rechnungen vorgeworfen, die in Summe – laut Recherchen von Panorama und der Zeit – mindestens knapp 300 Millionen Euro zu hoch ausfallen sollen. Genaue ­Informationen darüber, wie der damit zusammenhängende Streit zwischen Bundesregierung und Toll Collect jüngst geschlichtet wurde, hält das Verkehrsministerium indessen zurück. Kurz vor der Neuvergabe des Mautbetriebs, wieder in private Hände und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, werfen linke und grüne Oppositionspolitiker Scheuer vor, die beteiligten Konzerne zu schonen – ein Vorwurf, dem sich schon sein Vorgänger im Amt mit Blick auf den Abgasskandal ausgesetzt sah.

Auch Scheuer durchlief auf seinem Karriereweg den Posten des CSU-Generalsekretärs, polterte in dieser Rolle aber nicht ganz so ohrenbetäubend wie eben Dobrindt oder Söder, ohne jedoch auf rechtskonservative Ausfälle gegen Flüchtlinge und osteuropäische Zuwanderer zu verzichten. Dennoch stand er hier eher in der Tradition des früheren CSU-Shootingstars Karl-Theodor zu Guttenberg. Hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Qualifikation gibt es ebenfalls Parallelen zum ehemaligen Vertei­digungsminister: Als 2014 Plagiatsvorwürfe gegen Scheuer erhoben und Passagen in seinem »kleinen Doktorat« (PhDr.) zur »politischen Kommunikation der CSU im System Bayern« beanstandet wurden, zeigte er sich etwas smarter im Krisenmanagement als Guttenberg und verzichtete unverzüglich darauf, sich mit dem Titel zu schmücken. Dies behielt er auch bei, nachdem die Karls-Universität Prag, an der er den Abschluss erworben hatte, die Mängel als nicht so schwerwiegend eingestuft hatte, als dass man ihm den Titel entziehen müsste. Dass Scheuer vorher allerdings auch in anderen Punkten, etwa einer vermeintlichen unternehmerischen Selbstständigkeit, seinen Lebenslauf geschönt hatte, dokumentierte damals die FAZ: »Vermutlich ist es kein Zufall, dass mit Scheuer wieder ein Mann ins akademische Zwielicht gerät, der früh auf eine Karriere als Berufspolitiker spechtete.«

 

Der bunte Vogel CSU

Von Wiesheu bis Scheuer: Die CSU bringt immer wieder schillernde Persönlichkeiten hervor, die sich stärker durch eine charakterliche Ambivalenz auszeichnen als durch fachliche Kompetenz oder moralische Integrität. Und besonders oft landen diese augenscheinlich in der Verkehrspo­litik. Was sagt der Physiologus nun zu diesem Zusammenhang? Mit Blick auf den Specht könnte der Naturforscher eine passende Allegorie für die CSU-Strategie insgesamt anbieten: »Der Specht ist nämlich ein bunter Vogel, wie auch der Teufel bunt ist. Derselbe Specht aber fliegt in Wald und Gehölz und klettert auf die Bäume, klopft mit seinem Schnabel daran und horcht mit seinem Ohr, und wenn der Baum hohl und ohne Herz ist, so hackt er ein Loch, schlüpft dort hinein und nistet und brütet darin.« Der bunte Vogel CSU beschränkt seinen Lebensraum bisher zwar auf das Gebiet zwischen Bayerischem Wald, Spessart und Allgäu. Dies hält ihn jedoch nicht davon ab, sein Wirken auch auf den deutschen Wald als Ganzen auszudehnen und mit seinem Schnabel an allerlei Bäume zu klopfen: »So treibt sich auch der Teufel im Wald herum, das ist in der Menschenschar, und klettert an den Bäumen hinauf, das ist an den Menschen, und wenn der Mensch hohl ist und ohne Herz, dann schlüpft er rasch in ihn hinein und nistet in seinem Inneren. Ist der Mensch aber fest und hat ein starkes Herz, weicht er schnell von ihm und fliegt zu einem anderen Wald.«