Platte Buch - Michaela Meises Album »Ich bin Griechin«

Erinnerung mit Akkordeon

2015 lud die Zeitschrift Texte zur Kunst zu einer Konferenz nach Berlin ein. Künstler und Theoretiker teilten sich einen Tag die Bühne und sprachen zum Thema »Kanon heute«. Eine von ihnen war die Künstlerin Michaela Meise, die im Gegensatz zu ihren Kollegen kein Statement abgab oder einen elaborierten Vortrag hielt; Meise betrat die Bühne unprätentiös, ein Akkordeon in ihren Händen, und spielte zwei Lieder, unter ihnen das von Mikis Theodorakis komponierte »Mein kummervoller Mann«, – eines der wenigen Lieder über Arbeitslosigkeit, das sie kenne. Bei einer Kunstgala über Arbeitslosigkeit zu singen, schien ein kritischer Kommentar zur Veranstaltung, aber auch zur Situation von Künstlern zu sein und blieb deswegen in guter in Erinnerung.

Diese und weitere Lieder sind jetzt zum Glück wieder zu hören: »Ich bin Griechin« heißt Meises Album, es enthält ausschließlich Coversongs von Schlagern der siebziger Jahre mit von Meise ins Deutsche übersetzten Texten. Von Theodorakis, dem Kämpfer gegen die griechische Militärjunta, stammen fünf Lieder. Theodorakis entschied sich, wie Meise vor ihrer Interpretation bei der Gala erzählte, populäre Musik zu machen, allerdings mit politischem Anspruch.

Michaela Meise ist eigentlich bildende Künstlerin, ihre oft aus Keramik gefertigten Arbeiten sind ironische Kommentare auf Mutterschaft und Weiblichkeit. Keramik ist ein Material, aus dem gewöhnlich Gegenstände des alltäglichen Lebens hergestellt werden. Ähnlich scheint hier das Akkordeon zu fungieren, als ein Instrument, auf dem üblicherweise Volkslieder gespielt werden, das aber auch für die Kunst zu gebrauchen ist. In einigen Stücken geht es um Krieg und auch um die Shoah. Meise erzählte dem Deutschlandfunk, sie sei fasziniert davon gewesen, wie viel die Vergangenheit in Schlagern mit einer alltäglichen Sprache thematisiert worden sei. Solch eine Sehnsucht nach populärer und gleichsam ästhetischer Verhandlung von poli­tischen Themen spürt man bei jedem ihrer neun Lieder.

 

Michaela Meise: Ich bin Griechin (Martin Hossbach)