Homestory

Homestory #44


Es hat leider leider nicht viel gebracht, das Daumendrücken. Wie Sie sicher schon in der »Homestory« der vorherigen Ausgabe gelesen haben, hat es einen unserer Kollegen erwischt. Er wurde zwar nicht von Polizisten verprügelt, von Despoten eingekerkert oder von einem Mordkommando zersägt, dennoch müssen wir eine Weile ohne ihn auskommen, denn er liegt mit einem gebrochenen Fuß zuhause. Ein Fahrradunfall. In den nächsten Wochen werden wir weiter die Daumen drücken, damit er sich schnell erholt und hoffen, dass es dieses Mal etwas mehr bringt.

Derweil ist es in der Redaktion recht übersichtlich geworden. Das liegt nicht allein am verunglückten Kollegen, sondern daran, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jungle World im Urlaub sind. Es sind Herbstferien und wenn es hier in Berlin kalt wird, ist es sowieso am schönsten, nicht hier zu sein. Doch das haben wir bereits öfter gemeistert, die Produktion einer Ausgabe mit geringer Besetzung. Um dem eins draufzusetzen, gab es in dieser Woche auch noch zwei Feiertage, allerdings nicht hier. In Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen feierte man am Mittwoch den Reformationstag. Den würden wir als Kritikerinnen und Kritiker des alten Antisemiten Martin Luther sowieso nicht feiern, können wir als arme benachteiligte Berlinerinnen und Berliner aber eben auch nicht. Den Protestantismus kritisieren, dafür den Katholizismus feiern, das dürfen wir jedoch nicht, denn dann könnten wir ja am 1./2. November zu Allerheiligen/Allerseelen wie in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ein Gläschen Blut Christi runterkippen oder was man da so macht bei den Katholiken (anscheinend eher irgendwas mit Grabbeleuchtung).

»Ja und, was ist denn jetzt das Problem mit diesen Feiertagen, außer dass sie christlich und ungerecht sind?« mögen Sie nun fragen.

»Die Produktion«, müssen wir da ganz profan antworten. Die ­Jungle World mag und soll für Sie eine Freude sein, für uns ist sie auch ein Produkt – das wir herstellen müssen. Als marxistisch geschulte Linke wissen Sie, dass das irgendwas mit Arbeitszeit zu tun hat und wenn diese knapp wird: wird’s stressig! (Hier lieber den Marx verstauen und der empirischen Erfahrung vertrauen.) »Aha, aber in Berlin ist doch eine normale Arbeitswoche, was jammert ihr denn da?« wenden Sie als aufmerksam Lesende ein. Jetzt wird’s transregional: Denn die Druckerei und der Postversand liegen in Feiertagsregionen, daher sind wir trotzdem betroffen. Wahrscheinlich interessiert Sie das sowieso nicht, muss es auch nicht. Machen Sie es sich lieber mit einem Gläschen Blut, einer Grabkerze oder einer Bibelseitenzigarette in einer Hand bequem und genießen Sie Ihre frische Jungle World-Ausgabe. Wir haben uns dann einfach am Dienstag freigenommen.