In Bamberg hat ein Prozess ­gegen die »Weisse Wölfe Terrorcrew« begonnen

Richtig reinstürmen

In Bamberg hat der Prozess gegen vier Mitglieder der »Weisse Wölfe Terrorcrew« begonnen. Den Neonazis wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben.

Die »Weisse Wölfe Terrorcrew« (WWT) hat eine lange Geschichte. In der Gruppe, die vorgab ein Fanclub der nordrhein-westfälischen Rechtsrockband Weisse Wölfe zu sein, hatten sich in den vergangenen zehn Jahren militante Neonazis aus mindestens zehn Bundesländern sowie mehreren europäischen Staaten zusammengeschlossen. Die ­Parallelen zur »Oidoxie Streetfighting Crew«, die sich um die Neonaziband Oidoxie bildete, sind kein Zufall. Letztere rekrutierte bereits ab etwa 2003 ­militante Neonazis und wird dem internationalen Netzwerk der rechtsterroristischen Gruppe Combat 18 (C 18) zugerechnet. Mehrere ihrer Mitglieder sind in den NSU-Komplex verstrickt und mit dem NSU-Netzwerk verbunden. Der Sänger von Oidoxie, Marko G., spielte bei Weisse Wölfe zeitweise Schlagzeug.

Ab 2008 organisierten sich das Umfeld und die Fans von Weisse Wölfe im internationalen Netzwerk der WWT. Die Band hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Texte wie »Für unser Fest ist nichts zu teuer, 10 000 Juden für ein Freudenfeuer« im Programm. Sie drohte unverhohlen: »Wartet, ihr Brüder, wir kommen wieder, schlagen das rote Gesindel hernieder. (…) Juda verrecke und Deutschland erwache«. Offenbar sah sie sich bereits im Krieg: »Proud warriors are on the attack. It’s time for vengeance – time for war«. Wie Oidoxie bekannte sich auch die Band Weisse Wölfe zu C 18. »Combat 18 is our choice & music is our voice« druckte sie 2007 auf das CD-Cover von »Soundtrack zur Revolution«, dem terroristischen Netzwerk widmete sie den antisemitischen Song »Hail C 18!« mit der Textzeile »Death to ZOG« (»Tod der zionistisch besetzten Regierung«).

Militante Neonazis nutzen Rechtsrock nicht nur zur Propagierung von Ideologie und Militanzkonzepten sowie als Brücke in verschiedene Sub­kulturen, sondern auch als Organisierungsansatz – im Fall der WWT mit »Sektionen«, »Gauleitern« in den Bundesländern und einem Anführer, dem Hamburger Sebastian R. Zunächst blieben diese Aktivitäten weitgehend unbehindert. Ermittler und Ermittlerinnen durchsuchten im Oktober 2009 die Wohnungen von 23 WWT-Mit­gliedern in Hamburg, Niedersachsen, Brandenburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen; sie stellten unter anderem T-Shirts mit Symbolen von WWT, Combat 18 und der Naziorganisation Blood & Honour sicher. Mehr passierte zunächst nicht.

Ab 2012 wurde gegen das Netzwerk ermittelt, Mitgliedern aus der Schweiz und den Niederlanden, aus Hamburg sowie den Regionen Hannover und Wismar wurde vorgeworfen, ein rechtsterroristisches »Werwolf-Kommando« gebildet und Bombenanschläge erwogen zu haben. Doch das Verfahren ­versandete, für die WWT hatte es keine Konsequenzen. In Hamburg wurde ein Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Angehörige der WWT vom Amtsgericht noch vor dem ersten Prozesstag eingestellt.

In Bamberg bildeten mindestens 13 Neonazis spätestens im Jahr 2014 eine Sektion Bayern/Franken der WWT. Der mittlerweile angeklagte Patrick H. soll sich »Sektionsleiter« genannt ­haben, die Angeklagte Nadine H. soll seine Stellvertreterin, der Angeklagte Andreas G. »Organisationsbeauftragter« gewesen sein. Die Mitglieder durften sich mit den T-Shirts und Kapuzenpullovern der WWT einkleiden. Als geheimen Treffpunkt mieteten sie Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ­zufolge eine eigene Wohnung an. Unter dem Label der neonazistischen Partei »Die Rechte« organisierten sie Aktionen in der Öffentlichkeit mit, zum ­Beispiel den Aufmarsch »Bamberg wehrt sich – Asylmissbrauch nein danke!« im Oktober 2014. In München nahmen sie an den damaligen Pegida-Aufmärschen teil.

Parallel dazu bestellten Mitglieder der WWT für 500 Euro pyrotechnischen Sprengstoff bei italienischen und osteuropäischen Online-Shops, darunter mehrere sogenannte Kugelbomben. Sie sollen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte geplant und einen solchen Angriff einem Wachmann ­angekündigt sowie über einen Bombenanschlag gegen angebliche »Indymedia«-Macher diskutiert haben.

In der Bamberger Innenstadt griff die Gruppe Passanten und Jugendliche an, der ebenfalls angeklagte Marcel D. soll im Mai 2015 einen Gullideckel durch die Fensterfront des antifaschistischen Treffs »Balthasar« geworfen haben, andere sprühten Hakenkreuze und schwarz-weiß-rote Fahnen an das Gebäude. Im Sommer 2015 tauchte eine Gruppe von mindestens fünf WWT-Mitgliedern vermummt vor dem »Balthasar« auf, schaffte es jedoch nicht einzudringen. Für den 31. Oktober 2015 bereiteten die Bamberger Neonazis, mit Unterstützung aus München, einen größeren Angriff auf den selbstverwalteten Treff vor. »Richtig reinstürmen. Nicht davor stehen­bleiben wie beim letzten Mal, (…) alles kaputtschlagen«, sagten zwei der ­Beschuldigten später aus.

Zu der Attacke kam es nicht mehr. Zehn Tage zuvor durchsuchten Ermittlerinnen und Ermittler zwölf Wohnungen der Gruppenmitglieder in den Regionen Nürnberg und Bamberg. Die Polizei stellte Waffen und Pro­pagandamaterial sicher. Elf Neonazis wurden vorläufig festgenommen, ­gegen fünf wurden Haftbefehle er­lassen.

Am 16. März 2016 verbot der damalige Bundesinnenminister Thomas de ­Maizière (CDU) das WWT-Netzwerk. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen kam es erneut zu Durchsuchungen, allerdings nur bei 16 Personen. Das Innenministerium schrieb, die WWT zeichne sich »durch ein erhebliches Maß an Gewaltbereitschaft und Aggressivität gegenüber politischen Gegnern, Menschen mit Migrationshintergrund und Vertretern des Staates aus«.

Und in Bamberg? Ein Gerichtsverfahren ließ auf sich warten. Erst am 10. Oktober 2018 – zehn Jahre nach Gründung der WWT, drei Jahre nach den Razzien in Bamberg und zwei Jahre nach dem Verbot der Gruppe – begann ein Prozess am Landgericht gegen vier Beteiligte. Nicht nur die Zahl der Angeklagten war erheblich reduziert worden, sondern auch die Anklage. Der Generalbundesanwalt hatte mittlerweile die Voraussetzungen einer »terroristischen Vereinigung« im Sinne des Paragraphen 129a nicht als gegeben angesehen; der Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft Bamberg lautete deshalb auf »Bildung einer kriminellen Vereinigung«.

Die Angeklagten befanden sich zu Prozessbeginn längst nicht mehr in Untersuchungshaft. Sie haben im Ermittlungsverfahren zum Teil umfassende Angaben gemacht, die sie im Prozess wieder zurückzunehmen ver­suchen. Die Prozessstrategie scheint darin zu bestehen, nachweisbare ­­Aktivitäten und Aussagen zu verharmlosen: Die Drohungen seien Großmäuligkeit, der Sprengstoff sei für Silvester vorgesehen gewesen. In den ­ersten Prozesstagen wurde nicht deutlich, ob und wie gegen die neun ­weiteren Beschuldigten vorgegangen werden soll. Unklar ist derzeit auch, ob im Bamberger WWT-Umfeld eine V-Person eine Rolle gespielt hat. Der Prozess soll noch bis Januar 2019 ­andauern.