Der Westen als Feindbild in der Kunst

»Radikal und einfach zugleich«

Zwei Künstler haben in Berlin eine Initiative gegründet, die dem derzeit grassierenden Kulturpessimismus entgegenwirken will

Seit Jahren scheint es so, als gäbe es in der zeitgenössischen Kunst nur ein Thema: Der Westen als Feindbild. Große wie kleine Ausstellungen schreiben sich die »Kritik an westlichen Narrativen« auf die Fahne und in die Begleittexte; daraus resultiert ein Hang zum Esoterischen oder gleich zum Apokalyptischen.

In diesem Zusammenhang überaus bezeichnend war der Beitrag der Künstlerin Anne Imhof bei der Biennale in Venedig im vergangenen Jahr. Imhof, die den Preis der Großausstellung gewann, zeigte eine dystopische Performance unter dem Titel »Faust«, in der ihre Darsteller unter einem Glasboden umherkrochen, auf dem die Besucher herumliefen, während vor dem Deutschen Pavillon eingezäunte Dobermänner das Gebäude bewachten. Ein Jahr zuvor zeigte sie ähnliche Szenen im Berliner Hamburger Bahnhof: junge Leute, gekleidet in Jogginganzügen, die lustlos, trostlos und pathetisch in die Gegend starren und Cola tranken, während über ihnen Drohnen und Falken schwebten. Im Hintergrund wurde pathetische Musik abgespielt. Diese Szenarien ließen beim Betrachter kaum Zweifel übrig: Gezeigt wurde hier eine am modernen Leben leidende Jugend, eine an ihrer Dekadenz zugrunde gehende Zivilisation. Die Kuratorin des Pavillons, Susanne Pfeffer, erzählte unentwegt in In­terviews von angeblich kapitalisierten Körpern, von der »Macht« zugerichtet, eigentlich schon zu Zombies geworden, kurz: ein Leiden auf hohem Niveau. Der Begriff Kulturpessimismus scheint wie gemacht, um die Arbeiten von Imhof zu charakterisieren.

Zwar haben linke Künstler und Neue Rechte politisch nicht viel gemein, sie eint aber, so Bechtle und Kahane, das Heilsversprechen, das sie in der Ursprünglichkeit zu erkennen meinen.

Die Idee des Niedergangs ist dem Kulturpessimismus inhärent. Eine Kritik bietet er nicht, ist er zum dialektischen Denken doch gar nicht in der Lage, wenn er, wie etwa Oswald Spengler, den Untergang quasi zum Naturgesetz erklärt. 1953 beschrieb der Historiker Fritz Stern in seinem Buch »Kulturpessimismus als poli­tische Gefahr« eben diesen als Hass auf den Liberalismus, den er vor allem bei Schriftstellern der Weimarer Republik vorfand. Deren Kulturpessimismus führte sie zur Proklamation eines deutschnationalen, völkischen Kulturbegriffs, wie ihn junge Künstler heute wohl kaum teilen dürften. Diese wenden sich zwar pauschal gegen die Aufklärung, oft aber untermauert durch poststrukturalistische Theorie. Ihnen gilt die Aufklärung in erster Linie als kolonialistisches Projekt und die Kultur aus dem Westen als hegemonial, die zwangsläufig und absichtsvoll alles andere unterdrückt. Die positiven Resultate der Aufklärung erscheinen da lediglich als Ablenkungsmanöver oder Ausdruck einer »falschen Freiheit«.

Bei der Alternative für Deutschland wiederum wird die Aufklärung völkisch vereinnahmt. Die deutsche Kulturpolitk »arbeitet erklärtermaßen an der Aushöhlung der nationalen Identität und damit aktiv an der Zerstörung der Kulturnation Deutschland« sagte beispielsweise Marc Jongen im Juli im Bundestag. Jongen ist nicht irgendwer: jahrelang war er wissenschaftlicher Mitarbeiter für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe gewesen, promovierte bei Peter Sloterdijk. Ausgerechnet mit dem Begriff der Gleichschaltung charakterisierte der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Renner dann im September die hiesige Kulturförderung und schloss seine Rede im Bundestag mit einem Zitat über den Untergang des Abendlandes, das dem Kulturpessimisten Gottfried Benn zugeschrieben wird. Kunst soll laut AfD »kulturelle Identität bewahren« oder gleich identitätsstiftend für Deutschland sein. Dem entgegen steht der angebliche »Kulturmarxismus«, über den man auch Geraune von der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel vernehmen konnte.