Rassismus im griechischen Basketball

Dem Rassismus einen Korb geben

Der dunkelhäutige griechische Basketballspieler Thanasis Antetokounmpo wurde von einem Sportmoderator als Affe bezeichnet. Sein Bruder Giannis, der bei den Milwaukee Bucks spielt, hat geantwortet.

Takis Tsoukalas, Moderator und fanatischer Anhänger von Olympiakos Piräus, ist seit langer Zeit eine populäre Figur im griechischen Trash-TV. Seit 1999 wird seine Live-Sendung »Ante jia!« (umgangssprachlich: Und tschüss!) zweimal in der Woche kurz vor Mitternacht auf Epsilon TV ausgestrahlt, stets sitzt er im Trikot von Olympiakos mit seinem Kollegen Akis Vardalakis an einem Tisch – im Hintergrund wird das Stadion des Vereins oder die Ultratribüne Gate 7 eingeblendet – und spricht mit Anhängern der Mannschaft. Diese können ihn über eine Hotline anrufen, um live über die sportlichen Leistungen und die Zukunft ihres Teams zu debattieren.

Häufig werden dabei die Spieler und Anhänger anderer Vereine beleidigt. Oft sind es aber auch gerade diese Anhänger, die sich selbst während der Sendung melden, um Tsoukalas auf die Schippe zu nehmen oder ihn zu beleidigen. So steht der Titel der Sendung für das »Und tschüss!« – das oft auch als ein »Verpiss dich!« aufgefasst werden kann –, das der aggressive Moderator unerwünschten Anrufern entgegnet, bevor er sie aus der Leitung wirft. Im griechischen Sport, vor allem in den populärsten Sportarten Fußball und Basketball, gibt es zahlreiche Rivalitäten und fanatische Feindschaften nicht nur zwischen Ultras und Hooligans, sondern auch zwischen gewöhnlichen Anhängern großer Vereine wie Panathinaikos Athen, Olympiakos Piräus und PAOK Saloniki.

Der Europa-Studie des Pew Research Centers zufolge finden 89 Prozent der befragten Griechen, dass »ihre Kultur« allen anderen überlegen sei.

Tsoukalas ist schon seit langer Zeit für seine chauvinistischen, homophoben und sexistischen Aussagen in seiner Sendung bekannt. Er erhält auch häufig Anrufe von Schwulen und Transgendern, die sich für Fußball begeistern oder ihn einfach provozieren wollen, weil die Homo­phobie im griechischen Fußball, wie fast überall, enorm ist. Zu Wort kommen lässt Tsoukalas diese Anrufer kaum einmal, meistens beleidigt er sie mit Sätzen wie »Schwule rufen bei mir nicht an« oder »Ich rede nicht mit Schwulen«.

Am 9. November beleidigte er einen dunkelhäutigen Spieler der Basketball-Mannschaft von Panathinaikos Athen, dem Hauptrivalen von Olympiakos in der höchsten griechischen Spielklasse Basket League: Thanasis Antetokounmpo, der auch für die griechische Basketballnationalmannschaft spielt. Nachdem die beiden Teams in der Euroleague gegeneinander angetreten waren und Athen ­gegen Piräus gewonnen hatte, suchte Tsoukalas die Schuld an der Nieder­lage nicht bei seiner Mannschaft, sondern – wie immer – beim Gegner und sagte dabei Folgendes über den Verein aus Athen und Antetokounmpo: »Ihr seid ein Bordell. Mit einem Affen.Dieser Antetokounmpo ist ein Affe. Was sind das für Sachen, die diese Witzfigur anstellt? Schämt er sich nicht ein wenig? Er erniedrigt damit auch seinen Bruder.« Wie Tsoukalas in einem Statement anschließend mitteilte, habe er sich ­lediglich über die unfaire Spielweise Antetokounmpos aufgeregt, der zwei technische Fouls in jenem Spiel begangen hatte; eine rassistische ­Beleidigung sei das nicht gewesen.

Es war jedoch nicht das erste Mal, dass Tsoukalas Antetokounmpo rassistisch beleidigt hatte. Schon einige Monate zuvor, in der Sendung vom 18. Juni, hatte er gesagt: »Damit ich es nicht vergesse: diese Witzfigur Antetokounmpo, wir sprechen von einem Deppen. Der soll Basketball spielen können? Nur weil sein Bruder in der NBA spielt. Und er gibt sogar vor, ein Grieche zu sein. Und er verehrt auch Griechenland, ne? Aber sein Kasperletheater zieht er durch. Bravo, Antetokounmpo, du Grieche! Wir Griechen sind zumindest nicht von dieser Art. Er und sein Bruder sind mir egal. Ein solches Kasperletheater machen die Griechen nicht. Andere machen sowas. Für mich ist er kein Grieche.«

Thanasis und sein noch bekannterer Bruder Giannis Antetokounmpo sind in Athen geborene Kinder nigerianischer Einwanderer. In Sepolia, einem der ärmsten Stadtteile, großgeworden, verkauften sie wie viele andere, die aus afrikanischen Ländern nach Griechenland kamen, Sonnenbrillen, Taschen und CDs auf den Straßen. Ihr Hobby war Basketball, schnell wurde ihr Talent entdeckt. 2012 unterschrieben die Brüder beim Zweitligisten Filathlitikos O. A. Zografou aus Athen. Giannis wurde nur ein Jahr später im Alter von 19 Jahren von den Milwaukee Bucks verpflichtet und stieg dort zu einem der besten NBA-Spieler auf. 2017 und 2018 wurde er für das NBA All-Star Game nominiert, im vergangenen Jahr unterschrieb er einen neuen Vertrag bei den Bucks mit einem Vierjahresgehalt von mehr als 100 Millionen Dollar. Der Mann mit dem Spitznamen »The Greek Freak« ist auch in Griechenland sehr populär und dazu Vorbild für viele Jugendliche, deren Eltern aus afrikanischen Ländern einwanderten und die häufig nicht als griechische Bürger anerkannt werden.

Thanasis Antetokounmpo spielte ebenfalls seit 2013 in der NBA und in niedrigeren US-Ligen, bis er 2016 wieder zurück nach Europa kam. Bis 2013 war die Familie Antetokounmpo offiziell staatenlos. Erst im Zuge des Erfolgs im Basketball erhielten Thanasis und Giannis die griechische Staatsangehörigkeit, seither spielen sie beide auch für die griechische Nationalmannschaft. Nikos Michaloliakos, der Anführer der neonazistischen Partei Goldene Morgenröte, pöbelte 2013 gegen die Einbürgerung von Giannis. In der politischen Talkshow »Epi tou piestiriou« (Kontra TV) sagte er: »Wenn Sie in den Zoo gehen und einem Schipansen eine Banane und eine griechische Flagge übergeben würden, ist er dann ein Grieche?«

Giannis Antetokounmpo reagierte am 15. November auf Tsoukalas’ rassistische Beleidigungen seines Bruders. Er postete auf Instagram ein Bild von sich und Thanasis, auf dem sie gemeinsam für die griechische Basketballnationalmannschaft spielen. Dazu schrieb er unter anderem: »Ich hab in den vergangenen Tagen keinen Schlaf gefunden wegen dieses jüngsten negativen und rassistischen Vorfalls. Wenn dies etwas ist, das Thanasis passieren kann, der mit Stolz und mit einem fortwährenden Lächeln die griechische Nationalmannschaft und Panathinaikos Athen repräsentiert, dann kann ich mir nicht vorstellen, was andere Farbige in Griechenland durchmachen müssen. Ich bin sehr traurig und enttäuscht.«

Noch am selben Tag reagierte auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras: Er postete auf Instagram ein Bild von sich im Trikot von Thanasis Antetokounmpo. Die Bildunterschrift lautete: »Respekt und Stolz für Menschen, die hier geboren, großgeworden sind und Griechenland zu ihrer Heimat machen. Keine Toleranz für Rassismus und Hass.« Tsipras’ Partei Syriza hatte Ende 2015 neue Gesetze durchgesetzt, die die Einbürgerung in Griechenland geborener Migranten bei Erreichen der Volljährigkeit ermöglichen. Maria Giannakaki, die Staatssekretärin für Menschenrechte im griechischen Justizministerium, meldete sich ebenfalls zu Wort. Sie schrieb einen Antrag an die Staatsanwälte des Areopag, des obersten Gerichts für Zivil- und Strafgerichtsbarkeit in Griechenland, und den Griechischen Nationalen Rundfunkrat, zu prüfen, ob Tsoukalas eine Straftat im Sinne des Antirassismusgesetzes begangen habe.

Auch die »Panhellenische Vereinigung der Profibasketballspieler« (PSAK) solidarisierte sich in einem Aufruf mit dem Titel »Block gegen den Rassismus« mit Thanasis Antetokounmpo. Darin betont die Vereinigung, es gebe »kein schöneres Bild als das auf einem Basketballplatz in einem Viertel, wo Dutzende Kinder aus verschiedensten Ländern miteinander spielen«. Der Aufruf endet mit einem Vers des bekannten griechischen Roma-Sängers Kosta Chatzis: »Die Heilige Schrift spricht nicht von Roten, von Schwarzen oder von Weißen.«

In der großen Europa-Studie des Pew Research Centers, die zwischen 2015 und 2017 erhoben und Ende Oktober veröffentlicht wurde, belegt Griechenland bei einer Frage den ersten Platz: 89 Prozent der Befragten in dem Land sind der Ansicht, dass »ihre Kultur« allen anderen überlegen sei. Der Fall Tsoukalas ist beispielhaft für eine Gesellschaft, in der viele Menschen die Nationalität und Zugehörigkeit immer noch von der Hautfarbe abhängig machen. Die mittlerweile zehnjährige ökonomische, politische und soziale Krise hat den Nationalismus und Alltagsrassismus, den Migranten und Flüchtlinge erleben, verstärkt. Das zeigt sich auch am Erfolg der Nazi­partei Goldene Morgenröte und an der hohen Zahl rechtsextremer ­Anschläge.