Martina Renner über die Umsturzpläne des rechten Netzwerks in der Bundeswehr

»Die Pläne waren sehr konkret«

Von rechtsterroristischen Strukturen in der Bundeswehr geht heute noch eine konkrete Gefahr aus, sagt Martina Renner, Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag und stellvertretende Parteivorsitzende. Sie ist unter anderem Obfrau im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Mit der »Jungle World« sprach sie über die neonazistischen Umtriebe in der Bundeswehr.
Interview Von

Seit einiger Zeit häufen sich die ­Informationen über rechte Netz­werke in der Bundeswehr. Wie ­beurteilen Sie die bisherige mediale und gesellschaftliche Resonanz?
In den letzten Wochen erschien eine Reihe von Berichten, an der Spitze in der Taz und im Focus, zu diesem rechtsterroristischen Netzwerk in der Bundeswehr, insbesondere in der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), aber möglicherweise auch unter Beteiligung von Polizeibeamten, Reservisten und anderen. Im politischen Raum habe ich kaum eine Resonanz feststellen können. Wer sich schon länger mit diesen Netzwerken beschäftigt und diese Gefährdung ernst nimmt – und davon gibt es einige –, fragt sich, wo ­eigentlich der berechtigte Aufschrei bleibt. Das Verteidigungsministerium, das Innenministerium und die Bundesregierung schweigen sich aus, als ginge es hier um ein Randthema.

In dem rechten Netzwerk soll es sogenannte Todeslisten von linken Politikern und bekannten Aktivisten gegeben haben. Sie sollten an einem »Tag X« hingerichtet werden. Wie ernst nehmen Sie dieses Vorhaben, soweit sich das aufgrund bisheriger Erkenntnisse sagen lässt?
Das ist das ganz große Problem. Wir wissen bis heute nicht genau, wie viele dieser sogenannten Todes- oder Feindeslisten es gab oder gibt, wer alles genau auf ihnen stand oder inwieweit einzelnen Personen nachgestellt wurde. Ob man zum Beispiel auch Lichtbilder zu diesen Personen gesucht hat oder möglicherweise deren Büros oder Wohnräume ausspioniert wurden. Der Generalbundesanwalt verweigert die Herausgabe seiner Kenntnisse mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren. Das wird der Bedrohungslage aber überhaupt nicht gerecht. Ich denke, wenn den Behörden Kenntnisse über die ­Namen auf den Listen vorliegen, müssen die gefährdeten Personen informiert werden. Man muss klären, ob sie in den letzten Wochen und Monaten Auffälligkeiten bemerkt haben.

»Wir haben es mit mit Strukturen zu tun, die weder der Militärische Abschirmdienst noch der Verfassungsschutz auf dem Schirm hatte – oder haben wollte.«

Die britische Boulevardzeitung »Sun« schreibt, dass Claudia Roth von den Grünen auf einer solchen Liste gestanden haben soll. Wissen Sie, ob das stimmt?
Nein, das weiß ich nicht. Wir wissen von Listen, die im Netzwerk von Franco A. bei ihm selbst und bei einem weiteren Mitglied des Netzwerks, Maximilian T., gefunden wurden. Darin fanden sich konkrete Hinweise, dass der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck ausgespäht wurde, auch Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung war ­dabei, Politiker der Linkspartei hier in Berlin und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Dietmar Bartsch soll auf einer Liste bei dem rechts­terroristischen Netzwerk Nordkreuz in Mecklenburg-Vorpommern gestanden haben. Diese Liste hat die Polizei aber nicht gefunden. Einer der Beschuldigten hat im Rahmen polizeilicher Vernehmungen ausgesagt, er könne sich daran erinnern, dass Bartsch ganz oben auf der Liste gestanden habe. Es scheint, als habe es eine Art Arbeitsteilung in dem aktuellen Fall gegeben hat. Das Netzwerk war wohl bundesweit in vier Sektionen aufgeteilt, Nord-, Süd-, Ost- und Westkreuz. Franco A. und Maximilian T. sollen zu Südkreuz gehört haben. Die Sektionen haben sich natürlich jeweils mit den Personen vor Ort beschäftigt, die aus ihrer Sicht zu den inneren Feinden gehören und am besagten Tag X liquidiert werden sollen.