Porträt - Nikol Paschinjan, Ministerpräsident Armeniens

Flauschiger Sieg

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Ganz schön lieb und flauschig scheint es in Armenien derzeit zuzugehen. »Ich liebe euch alle, ich bin stolz auf euch und ich verbeuge mich vor euch«, schrieb Nikol Paschinjan am Tag nach den Parlamentswahlen. Er galt als einer der Anführer der als »Samtene Re­volution« bezeichneten Massenproteste im Frühjahr, die den Präsidenten Sersch Sargsjan von der nationalkonservativen Republikanischen Partei (RPA) zum Rücktritt zwangen. Dieser wollte nach dem Vorbild Wladimir Putins nach dem Ablauf seiner beiden Amtszeiten als Ministerpräsident an der Macht bleiben. Paschinjans Parteienbündnis »Im Kayl« (Mein Schritt) kam bei den Wahlen am Sonntag auf 70,4 Prozent der Stimmen, weit dahinter folgte die Partei Blühendes Armenien des Oligarchen Gagik Zarukjan mit 8,3 Prozent. Die einstige langjährige Regierungspartei RPA, die zuvor noch über 58 von 105 Sitzen verfügt hatte, scheiterte mit 4,7 Prozent der Stimmen gar an der Fünf-Prozent-Hürde.

Bei den Protesten von März bis Mai war Paschinjan meist mit Kappe und Camouflage-Shirt zu sehen, nach seiner Wahl zum Interimsministerpräsidenten im Mai – wegen des Widerstands der RPA gelang dies erst im zweiten Anlauf – allerdings immer öfter in Anzug und Krawatte. Bereits während seines Journalismusstudiums eckte Paschinjan durch regierungskritische Texte an und durfte keinen Abschluss machen. Später unterstützte er die Opposition und wurde 2009 als vermeintlicher Anführer der regierungskritischen Proteste von 2008 – bei denen zehn Menschen starben – zu sieben Jahren Haft verurteilt; 2011 kam er aber durch eine Amnestie frei. Am 16. Oktober trat er als Ministerpräsident ab, um Neuwahlen zu ermöglichen und den neuen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen nach den Protesten auch im Parlament Geltung zu verschaffen. Bislang konnte die RPA Reformvorhaben nämlich blockieren. Paschinjan will die Wirtschaft in dem armen Land stärken, die Korruption bekämpfen und demokratische Reformen einleiten. Die Wahlgesetzgebung, die Manipulation begünstigt hatte, wurde bereits reformiert. Wie lange die Bevölkerung nun die Erfüllung der Versprechungen abwarten und sanft bleiben wird, wird sich zeigen. Dass sie eine missliebige Regierung ­erfolgreich aus dem Amt jagen kann, hat sie bereits bewiesen.