In Berlin fanden Proteste für die Rechte von Wohnungslosen statt

Rechte statt Almosen

Mit einer Mahnwache forderten Mieter- und Obdachloseninitiativen in Berlin Rechte für Wohnungslose. Auch die Politik des rot-rot-grünen Senats kritisieren sie.

»Dieses Plakat ist nur für Obdachlose«, heißt es auf bunten Postern, die Menschen ohne Wohnung über Hilfsprogramme informieren. Wächst die ­private Hilfsbereitschaft in der kalten Jahreszeit, wie die Taz-Redakteurin Waltraud Schwab meint? Sie wünscht sich einen harten Winter: »Der Frost ist nicht Schrecken, sondern Gefälligkeit, weckt er doch Mitgefühl für all die ­anderen, die, wie man selbst, frierend durch die Stadt gehen.«

Für solche Sozialromantik haben Menschen, die auf der Straße leben, kein Verständnis. »Wenn ich einen polartauglichen Schlafsack und entsprechende Socken hätte, könnte ich hier sogar schlafen«, sagte eine Frau, die bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zwei Nächte vor dem Roten Rathaus verbrachte. Sie beteiligte sich vom 23. bis 25. Januar an einer Mahnwache gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Dazu aufgerufen hatte auch das »Wohnungslosenparlament in Gründung«. Die Protestierenden fordern statt schöner Worte und Almosen Rechte für Menschen ohne Wohnung. Von Sozialromantik hält Nicole Lindner von der Mieterpartei wenig. Sie könne nicht bestätigen, dass kalte Temperaturen ­soziale Wärme erzeugen. Während der Mahnwache vor dem Roten Rathaus sei sie auf viel Häme und Gleichgültigkeit gestoßen, erzählt sie der Jungle World. Eine andere Teilnehmerin brachte in Rage, dass sich junge Leute in guter Winterkleidung über die Menschen lustig gemacht hätten, die vor dem Roten Rathaus froren. Auch die etwa 30 Teilnehmer eines Flashmobs gegen Wohnungslosigkeit am 26. Januar in der East Side Mall berichteten über die Gleichgültigkeit des Publikums.

Ein Nutzer der Notübernachtung für Obdachlose der Stadtmission berichtet aus eigener Erfahrung, dass dort nicht genügend für den Gesundheitsschutz getan werde. So werde der Boden der sanitären Einrichtungen zwar täglich gereinigt, doch eine Grundreinigung mit Desinfektionsmittel, wie sie in je­der Klinik üblich sei, habe er in der Zeit, in der er die Notübernachtung in Anspruch nehmen musste, nicht beobachtet. Die Leitung der Einrichtung habe auf den Senat und die Kosten verwiesen.

Gelegentlich sorgt es jedoch auch für Empörung, wenn die Rechte von Wohnungslosen verletzt werden. Diese Erfahrung musste Ende Januar der Bürgermeister des Berliner Bezirks Mitte, Stephan von Dassel (Bündnis 90/Die Grünen), machen. Bei der Räumung eines Camps von Wohnungslosen in der Nähe des Hauptbahnhofs zog die Polizei einer Frau, die friedlich auf einer Bank sitzend dagegen protestierte, dass ihre Habe in den Müll geworfen wurde, ein weißes Tuch wie einen Sack über den Kopf, bevor die Beamten sie festnahmen. Zunächst behauptete von Dassel, es sei ein Haftbefehl gegen die Frau vollstreckt worden, was eine Falschaussage war, für die sich der grüne Politiker später entschuldigte. Die Frau wurde bald wieder freigelassen. Aber auch die Erklärung der Polizei, man habe der Frau das Tuch über den Kopf gestülpt, um die Gesundheit der Beamten zu schützen, sorgte für Kritik: Damit werde suggeriert, Wohnungs­lose seien Verbreiter von Krankheiten, was die Stigmatisierung verstärke.

Ein Nutzer der Notübernachtung für Obdachlose der Stadtmission berichtet aus eigener Erfahrung, dass dort nicht genügend für den Gesundheitsschutz getan werde. So werde der Boden der sanitären Einrichtungen zwar täglich gereinigt, doch eine Grundreinigung mit Desinfektionsmittel, wie sie in je­der Klinik üblich sei, habe er in der Zeit, in der er die Notübernachtung in Anspruch nehmen musste, nicht beobachtet. Die Leitung der Einrichtung habe auf den Senat und die Kosten verwiesen.

Die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) hat zumindest bekundet, dass sie die Vertreibung und Stigmatisierung von Wohnungslosen ablehne. So kritisierte sie auch die Räumung des Camps der Wohnungslosen beim Hauptbahnhof und verwies auf den modellhaften Umgang mit Wohnungs- und Obdachlosen im Bezirk Lichtenberg, in dem ihre Partei den Bürgermeister stellt. »Wir haben So­zialarbeiter des Trägers Karuna in das Camp der obdachlosen Menschen geschickt. Die haben geschaut, wer sich dort aufhält und was für Probleme es gibt. Überwiegend Jüngere leben in dem Camp, zeitweilig sind auch Roma da. Die Sozialarbeiter reden mit den Menschen und versuchen, mit ihnen in­dividuelle Lösungen zu entwickeln«, beschrieb Breitenbach den Umgang mit Obdachlosen an der Rummelsburger Bucht Anfang Januar. Allerdings hatten stadtpolitische Gruppen kritisiert, dass Utensilien, die die Menschen zum Übernachten genutzt hatten, auf dem Müll entsorgt worden seien. Die Bewohner hatten aber vorher das Camp verlassen.

Ob sich die Sympathie mit den Wohnungslosen, die sich vor allem in den sozialen Netzwerken ausdrückt, auch auf der Straße manifestiert, wird sich am 6. April zeigen. Für diesen Tag ist eine Großdemonstration der Berliner ­Mieterbewegung geplant, die gegen die Immobilienmesse in der Arena im Stadtteil Treptow protestieren will. In dem Bündnis ist auch das »Wohnungslosenparlament in Gründung« vertreten, im Aufruf werden auch Rechte für Obdachlose gefordert. Denn Menschen werden obdach- und wohnungslos, weil die Mieten zu hoch und die Löhne oft zu niedrig sind. Das Berliner »Bündnis Zwangsräumung verhindern« erinnerte auf der Mahnwache vor dem Roten Rathaus daran, dass täglich Wohnungen geräumt werden. Viele der davon betroffenen Menschen landen buchstäblich auf der Straße. Es sei an der Zeit, für ein Grundrecht auf Wohnen einzutreten und dafür zu sorgen, dass es die Betroffenen auch durchsetzen können.