Lahme Literaten - Folge 6

Felicitas Hoppe

Kolumne Von

Da die Literaturwissenschaft seit jeher an der Zerstörung von Sprache und der Abstumpfung ästhetischen Urteilens arbeitet, ist es billig, zur Belustigung des Publikums aus den Elaboraten dieser Disziplin zu zitieren. Doch hin und wieder finden selbst Germanisten, statt geistige Übergriffe auf Goethe oder Kafka zu begehen, ein ihnen gemäßes Objekt. In solchen Fällen kommt ihre Ba­nalität im Einstand mit der Banalität des Gegenstandes zu sich selbst, und ihr Geplapper wird Wahrheit. Das klingt dann so wie in einem neuen Transcript-Sammelband: »Das Erzählwerk der Schriftstellerin Felicitas Hoppe ist bestimmt durch die Spannung zwischen literarischem Traditionsbezug und werkgenetischem Autonomieanspruch. Von den Prosaminiaturen ›Picknick der Friseure‹ (1996) bis hin zur Autofiktion ›Hoppe‹ (2012) kennzeichnen dabei Transgression, Dekontextualisierung sowie semantische Pluralisierung das inter- und autotextuelle Rezeptionsverhalten – ein poetologisches Prinzip, das Hoppes Schreiben in der transmodernen Ästhetik verortet und von der Autorin selbst als ›ehrliche Erfindung‹ bezeichnet wird.« Genauso schreiben kulturwissenschaftliche Buchhalter über Else Lasker-Schüler, doch was bei Lasker-Schüler Verrat am Œuvre und Eingeständnis akademischer Unfähigkeit bedeutet, ist im Fall von Felicitas Hoppe die adäquat geistfreie Darstellung eines geistfreien Werks.

Tatsächlich tut Hoppe seit fast 30 Jahren nichts als das, was ihre Verwalter ihr attestieren: Sie nimmt einen Kontext hier weg, um ihn dort wieder anzupappen, und klebt aus moderaten Vieldeutigkeiten eindeutig staubdröge Narrationen zusammen, die irgendwie erfunden, aber echt gefühlt, dummdeutsch gesprochen: ehrlich sind. Neben der »Autofiktion« (sie nimmt ihr Leben und erfindet was dazu oder nimmt ein anderes und empfindelt sich hinein) ist ihr Lieblingsgenre der Reisebericht, weil der es leicht macht, vage Beobachtungen mit vagen Ima­ginationen zu verbinden. In Hoppes neuem Roman »Prawda« fährt sie den sowjetischen Schriftstellern Ilja Ilf und Jewgeni Petrow hinterher, die in den Dreißigern eine Reise durch Amerika unternahmen; verkaufsbegleitend gesteht sie dem Tagesspiegel, das Wort »authentisch« nicht zu mögen. »Hoppe« ist eine »Traumbiographie«, in deren Mittelpunkt eine Figur steht, die nicht nur heißt, sondern auch spricht und fühlt wie die Autorin, aber statt in Hameln in Kanada geboren und auch sonst in vielem ein bisschen, aber nur ein bisschen anders ist. Die Romane »Pigafetta« (1999) und »Paradiese, Übersee« (2003) lassen vor »Was ist was«-Kulissen Ritter und Abenteurer aufeinander los, die auch das Personal von Hoppes Kinderbüchern stellen, welche sich nur durch ihre Illustrationen von ihren Erwachsenenbüchern unterscheiden – und das nicht, weil Hoppe Kinder so ernst wie Erwachsene nähme, sondern weil sie mit Erwachsenen so wenig anfangen kann wie mit Kindern. Sich weigern, mit dem bürgerlichen Namen identisch zu sein; Alters- und Generationengrenzen missachten; die Kategorie der Authentizität für das eigene Schreiben ablehnen: Alle Charak­teristika der literarischen Moderne werden in Hoppes Werk so bewusstlos wie zielsicher auf ihre nachbürgerliche Verfallsform heruntergebracht, bis aus Lasker-Schüler, die sich zu Prinz Jussuf von Theben erhob, eine Hoppe wird, die sich Hoppe nennt. Dass die Welt die Autorin dafür als »Deutschlands phantastischste Fabuliererin« lobt, verdient im Gedächtnisjahr Lasker-Schülers, die im Februar 150 Jahre alt geworden wäre, scharf rügend vermerkt zu werden.