Kritische Astrologie - Der Karneval und seine Macht über unser Leben

Dann doch lieber Witze über Doppelnamen

Kolumne Von

Sie ist noch gar nicht abgetreten, schon sehnt man sich nach Angela Merkel zurück. Merkels Auftritt am Karneval: Tief gelangweilt, ja mit kaum verhohlener Abscheu verfolgt sie die Darbietung eines närrische Balletts von Funkenmariechen, zieht Würde aus der Nichtvereinnahmung, hierin fast der Queen ähnlich. Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen: gibt dem ekligen Haufen um sich herum auch noch recht, verbrüdert sich mit der Meute saturierter Mittelständler in ihrer ranzigen Lustigkeit, und grölt mit ihnen, wenn es gegen die geht, die ohnehin nicht mit­machen dürfen, in diesem Fall Intersexuelle. Die mächtige Politikerin, die sich für ein bisschen Applaus zum grausamen Hanswurst macht, die die sadistischen Phantasien auslebt, die sich ihr Publikum außerhalb der ach so närrischen Tage verkneift – sie ist tatsächlich das Gegenteil von Merkel, die, an der eigenen Partei und eigentlich allen Instanzen vorbei, im Interview mit Brigitte, lapidar die sogenannte Homo-Ehe einführte.

Denn vor allem ist Kramp-Karrenbauer eines: alternativlos. Im Modus des dauerbeleidigten Provinzlers, dem das viel zu schnell geht mit der Moderne, treffen sich halt viel zu viele wieder, ja ist der Nerv des Zeitgeists überhaupt getroffen. Friedrich Merz war ihnen zu kapitalistisch, auch zu amerikanisch; Jens Spahn zu schwul – aber das bisschen Trans- und Homofeindlichkeit, das war ­genau das, was ihnen noch gefehlt hat, was ihnen Merkel nicht bieten konnte. Denn was ist das für ein Konservatismus, unter dem niemand ­leidet?

Natürlich, mit offen Rechten will man nichts zu tun haben, oder jedenfalls noch nicht, aber diese Art symbolischer Grausamkeit, das Zeigen der Folterinstrumente, die man immer noch in der Hinterhand behalten will – das möchte man sich nicht nehmen lassen. Ob man sich nun reli­giös gibt oder volkstümelnd-karnevalesk, immer will man sich dabei den Perversen überlegen fühlen. Kramp-Karrenbauer wird diesen dumpfen Wunsch noch oft bedienen. Merkel war dagegen praktisch eine queere Ikone.