Helmut Berger: Älterwerden in der niedersächsischen Provinz

Der letzte Star

Eine neue Dokumentation begleitet den ehemaligen Weltstar Helmut Berger beim Älterwerden.

Gerade einmal 74 Jahre alt ist Helmut Berger, und doch scheint es so, als verabschiede sich der Schauspieler schon seit Jahren von der Öffentlichkeit – und vice versa. Bereits 1998 legte er unter dem schlichten und doch ­glamourösen Titel »Ich« seine Autobiographie vor, ein Sammelsurium allerlei kurioser Begebenheiten aus dem Leben des Filmstars, seither folgten Auftritte im Fernsehen, bei denen er mit Alfred Biolek kochte, Harald Schmidt küsste und Thomas Gottschalks katastrophales Italienisch korrigierte. In einem großen Film spielte die »Witwe Viscontis«, wie Berger sich selbst seit dem Tod des Regisseurs und Liebhabers zärtlich nennt, schon seit langer Zeit nicht mehr; nur seine Fernsehauftritte blieben, und bei jedem dachte man, es könnte der letzte sein. Luchino Visconti hatte ihn entdeckt, drei große Rollen spielte Berger in seinen Filmen, am bemerkenswertesten wohl seine Rolle als König von Bayern in »Ludwig II.«, in dem auch Romy Schneider die Ehre zuteil wurde, anders als in den Sissi-Filmen doch noch die wahre Elisabeth von Österreich-Ungarn zu verkörpern. Mit Schneider verband Berger die Abkehr von Deutschland beziehungsweise Österreich: Sie lebte in Paris, Berger in Rom. Die siebziger Jahre sind ohne Berger gar nicht zu denken, der mit seinem Jet-Set-Leben die Klatschkolumnen füllte und solch vorzügliche Sätze wie »Es gibt keine wohligere Wärme als das Rampenlicht« in seinen Rückblicken zu Protokoll gibt.

Helmut Berger war streng genommen das erste queere Subjekt: offen bisexuell, sexuell aufgeschlossen, eine männliche Diva, die gleich in ­ihrer ersten Filmrolle eine Interpretation von Marlene Dietrich im Fummel ablieferte und dem es ganz offensichtlich völlig egal war, was andere Menschen über ihn dachten. Berger war jedoch nie moralisch oder korrekt, im Gegenteil. Seine politische Position war immer der ri­gorose Hedonismus. Capito!

Helmut Berger war streng genommen das erste queere Subjekt: offen bisexuell, sexuell aufgeschlossen, eine männliche Diva, die gleich in ­ihrer ersten Filmrolle eine Interpretation von Marlene Dietrich im Fummel ablieferte und dem es ganz offensichtlich völlig egal war, was andere Menschen über ihn dachten. Berger war jedoch nie moralisch oder korrekt, im Gegenteil. Seine politische Position war immer der ri­gorose Hedonismus. Capito!

Der Titel einer neuen Dokumentation über den Schauspieler ist eine präzise Zusammenfassung dessen, was der Zuschauer zu sehen bekommt: »Helmut Berger, meine Mutter und ich«, nicht mehr und nicht weniger passiert in dem Film von Valesca Peters. Peters’ Mutter, Bettina Vorndamme, die in einem kleinen Dorf in Niedersachen wohnt und ein langjähriger Fan von Berger ist, erfährt über das Internet von Bergers Gesundheitszustand und seiner dahinsiechenden Karriere und tritt kurzerhand mit ihm in Kontakt, um ihn in ihr Landhaus einzuladen. Er kommt tatsächlich und bleibt mehrere Monate, was Peters mit der Kamera festhält.

Im Film wird mit spöttischem Unterton auf Bergers Teilnahme am »Dschungelcamp« hingewiesen, ein Auftritt, der Berger den Kommentar des Spiegel einbrachte, er sei selbst im Liegen interessanter als all die anderen Teilnehmer, ein wahrer Star eben. Doch mit dem Herumliegen ist es vorbei: Nicht nur soll Berger Sport treiben und seine Karriere von dem tüchtigen Mutter-Tochter-Gespann wieder ins Laufen bringen lassen, auch mit dem Alkohol soll Schluss sein, was zu allerlei Konflikten mit dem trinkfreudigen Berger führt. Die durchscheinende Empörung über ein Format wie das »Dschungelcamp« entpuppt sich als reichlich wohlfeil, denn auch dieses Landhaus entwickelt sich für den Protagonisten zu einer Art Camp, in dem nichts privat bleibt. Man sieht Berger beim Kaffee trinken, Berger unter der Dusche, Berger bei der Hypnosetherapie, bei der Maniküre, Helmut Berger in einer Fotoausstellung, in der Bilder seiner damaligen Partyfreunde zu sehen sind, man hört Berger typisch selbstreflexives Zeug reden – gewissermaßen ist »Helmut Berger, meine Mutter und ich« ein »Dschungelcamp« für das Arthouse-Publikum.

Das eigentliche Thema des Films ist aber Bergers Älterwerden. »Alt werden ist nichts für Feiglinge«, zitiert er mit seiner wunderschön rauchigen und gleichsam zarten, nasalen Stimme aus dem Hintergrund einen Satz von Mae West. Berger ist ein Mann der einfachen Weisheiten – und er ist einsam. Dass die »Gefahr der Anerkennung« darin liegt, dass sie nicht ewig währt, davon kann er ein Lied singen. Überaus ironisch wirkt es daher, dass genau den Schauspieler, der 1970 im gleichnamigen Sleaze-Klassiker den Dorian Gray verkörperte, nun selbst dieses Schicksal ereilt. Schon lange wohnt er nicht mehr in Rom, sondern wieder in Österreich, seine ehemaligen Freundinnen wie Liz Taylor und Bianca Jagger sind entweder tot oder, so darf man vermuten, haben den Kontakt einschlafen lassen.