Roman »Aller Anfang« von J. Courtney Sullivans

Gefährliche Gender Studies

Das Smith-College ist eine der berühmtesten Frauenuniversitäten der USA und Schauplatz von J. Courtney Sullivans Roman »Aller Anfang«. Zu den Absolventinnen gehörten Gloria Steinem und Sylvia Plath – Namen, die den Erstsemestern Respekt einflößen. Die verwöhnte Sally, die katholische Celia mit dem Alkohlproblem, die schöne Bree mit dem Verlobungsring am Finger und die rothaarige April mit dem Nasenring wohnen im selben Trakt und werden Freundinnen. Dass sich seit den Tagen, als Steinem das College besuchte, einiges verändert hat, wird ihnen schnell vermittelt. »Freshmen« heißen jetzt »Erstis«, verkündet eine ältere Studentin, die sich als »Monster Truck Jenna« vorstellt. Geschlechterfragen spalten die Schülerschaft stärker als Klassenunterschiede. Für Debatten sorgen die Duschregeln für lesbische Paare, der Umgang mit Transgender-Studendten, Affären mit dem Lehrpersonal und die Frage, wie sexuelle Vielfalt an einer Frauenuniversität aussehen kann.

Ein paar Jahre später trifft sich die Clique auf dem Gelände des College wieder. Millionärstochter Sally feiert auf dem Campus ihre Traumhochzeit mit dem netten Jake. Ein bisschen neidisch sind die anderen schon. Vor allem Sally, die noch keinen Lebensplan gefasst hat. Bree, längst schon wieder entlobt, liebt die lesbische Lara, besteht aber darauf, weiterhin heterosexuell zu sein. April engagiert sich als Assistentin einer radikalen Frauenrechtsaktivistin für eine Medienkampagne gegen Zwangsprostitution.

Bis dahin ist »Aller Anfang« ein hübsch ironisch erzählter Collegeroman, der von den Hoffnungen und Enttäuschungen junger, privilegierter Frauen handelt. Gerade aber als die Geschichte der Freundinnen zu erlahmen beginnt, nimmt die Handlung eine unerwartet dramatische Wendung, gleitet teilweise in die Kolportage ab und steuert auf ein verstörend brutales Finale zu. Fest steht am Ende: Die neue Gloria Steinem wird keine der vier.

J. Courtney Sullivan: Aller Anfang. Aus dem amerikanischen Englisch von Henriette Heise. Deuticke-Verlag, Wien 2019, 432 Seiten, 22 Euro.