Homestory #19

»Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein«, twitterte das SPD-Mitglied Johannes Kahrs, Sprecher des innerhalb der Partei als traditionell-konservativ geltenden Seeheimer Kreises. Sie wissen schon – das Interview des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert in der Zeit, bei dem es um eine hypothetische Kollektivierung von BMW ging. Die Idee kam nicht so gut an bei CDU, CSU und FDP – sowie vielen prominenten Politikerinnen und Politikern der SPD, die es kaum glauben können, dass da jemand ihr Parteiprogramm wörtlich nimmt. Als Phantast und Utopist wurde Kühnert bezeichnet. Er solle mal arbeiten gehen. »Für Arbeiter deutscher Unternehmen ist diese SPD nicht mehr wählbar«, sagte Manfred Schoch, der Betriebsratsvorsitzende bei BMW, der Wirtschafts­woche. Er kann es offenbar nicht fassen, dass jemand die Satzung der IG Metall, deren Mitglied Schoch ist, ernst nimmt. Kühnert hat nachgelesen: Dort steht tatsächlich noch etwas Verwegenes von der Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum, ein ­Relikt aus längst vergangener Zeit, an das hochrangige IG-Metall-Mitglieder offenbar nicht gern erinnert werden.

Was aber haben eigentlich, fragt man sich nun in der Redaktion Ihrer Lieblingszeitung, plötzlich alle gegen Kollektivbetriebe? Die Jungle World ist zufällig ein solcher. Und dem geht es – allem Zeitungssterben zum Trotz – eigentlich ganz gut. Eines können wir den Kolleginnen und Kollegen bei BMW versichern: Eklige Frühschichten gibt es hier keine – und Nachtschichten nur ganz selten. Klar, hier bekommt niemand eine Prämie von 7 890 Euro wie bei BMW in Leipzig und die Gehälter lassen sich auch nicht unbedingt vergleichen. Aber schließlich ist die Jungle World keine Schlüssel­industrie, sondern ein »Nischenprodukt, ein kleines, aber feines Juwel«, wie sich ein Kollege von einer in Berlin produzierten ­Tageszeitung einmal während eines Besuchs ausdrückte. Übrigens war auch schon Kevin Kühnert vor über neun Jahren zusammen mit anderen jungen Politikern aus Berlin bei uns in der Redaktion zu Gast (Jungle World 52/2009) und hat sich von den Vor­zügen ­eines Kollektivbetriebs überzeugen können. Ganz nebenbei wurde den Besuchern auch ein dicker Joint angeboten, der nach kurzem Zögern von den Gästen und anwesenden Redakteuren konsumiert wurde. Währenddessen diskutierte man um so angeregter über Drogenpolitik. Ob »der Kevin« heutzutage noch kifft, um sich zu politischen Diskussionen zu inspirieren, wissen wir nicht. Vielleicht sollten wir aber zunächst einmal eine Einladung an die Genossen Kahrs und Schoch verschicken.