Lahme Literaten - Folge 14

Doris Dörrie

Kolumne Von

Wer von sich selbst sagt: »Ich war immer die Ausnahme«, der war garantiert immer bemüht, wie alle anderen zu sein. Doris Dörrie, die das 2014 bei einer Veranstaltung der Zeitschrift Brigitte mit dem Titel »Die Stunde der Frauen« behauptete, hat ihre Karriere hindurch die Inkarnation eines launig-kecken, je nach Lage entweder widerborstigen oder geschmeidigen Mittelmaß-Feminismus gegeben, der sich durch seine provokativen Banalitäten beständig im Gespräch hält und für jede Idiotie zu haben ist. Weil ihr Stereotypenrepertoire nicht nur die weibliche Psychologie, sondern auch männliche Unarten und Arten aller Couleur ­umfasst, wird sie schulterklopfend »Männerversteherin« (NTV) genannt, obwohl sie Frauen natürlich nicht weniger gut versteht.

Überhaupt versteht Doris Dörrie alles und jeden, so dass sie trotz der zuverlässigen Geistlosigkeit ihrer künstlerischen Produktion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ebenso wie unter schal avantgardistischen Filmemachern als Urmutti flippiger Weiblichkeit gilt. Ihre Arbeit als Regisseurin hat sie genutzt, um Themen der jeweils angesagten Geschlechteremanzipation mit Ästhetik und Weltanschauung einer immer jünger und cooler werdenden Bundesrepublik zu verquirlen. Der Film »Männer«, mit dem sie 1985 bekannt geworden ist, bietet mit Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht zwei Urgesteine softer ­Virilität auf, die sich als sexuell rivalisierende Riesenbabys erst bekämpfen, um schließlich in gemeinsamer Selbsterfahrung als Eishockey- und Unterhosenliebhaber zueinander zu finden. »Ich und Er«, drei Jahre später entstanden, macht aus einer ­Romanvorlage Alberto Moravias über die Sprachlosigkeit der Geschlechterbeziehungen die Lachnummer über einen Mann, dessen Genital mit der Stimme von – wiedermal – Heiner Lauterbach zu reden beginnt. Dass sie feministische Gemeinplätze mit viel Sympathie für die Zivilisationsdefizite des männlichen Geschlechts zu verbinden weiß, hat Dörrie früh zur Herzdame ihres Publikums gemacht.

Ihre literarischen Arbeiten eröffnen demjenigen, der sich auf sie einlässt, noch Schlimmeres. Irgendwo zwischen dem wattierten Gefühlsberaterdeutsch von Hera Lind und der kommunikationsfreudigen Unverschämtheit einer Sandra Maischberger angesiedelt, quatschen ihre in Bänden wie »Liebe, Schmerz und das ganze verdammte Zeug« (1987), »Was wollen Sie von mir?« (1988), »Bin ich schön?« (1994) und »Alles inklusive« (2011) gesammelten Mittelschichtsgeschlechteranekdoten den Leser schon im Titel dreist von der Seite an wie die Tierschutz-Promoterin in der Fußgängerzone. Keine Frauengeschichte kommt ohne Besprechen von Pediküre, Schminke, Älterwerden und gläserner Decke aus, keine Männergeschichte ohne den Widerspruch zwischen harter Schale und weichem Kern (oder umgekehrt). Auch Dörries Kinderbücher um die Figuren Lotte und Mimi, die sie seit 20 Jahren mit der Zeichnerin Julia Kaergel schreibt, kommen verlässlich auf die Klischees zurück, deren Wirkmächtigkeit sie angreifen, ob es um das begeisterte Verhältnis von Mädchen zur Mode, um die Verwendung von Tiernamen als Schimpfworte oder die Verkümmerung der Phan­tasie durch neue Medien geht. Weil das unverwüstlich flotte Pochen aufs eigene Selbstbewusstsein und die Überzeugung, dass wir alle prima miteinander auskommen, solange alle einander bei Laune halten, Kindern und Erwachsenen jeden ­Geschlechts gefällt, wird Dörrie auch weiter auf einen treuen Leserkreis bauen können.