Porträt - Negar Moazzam

Singende Versuchung

Negar Moazzam hat im Iran ein Tabu gebrochen: Sie hat es gewagt, öffentlich zu singen.

»Eine Frau, die alleine singt« – kann man sich eine größere Gefahr für die Gesellschaft vorstellen? Im Iran offenbar kaum. Die Meldung, eine Frau habe allein in der Öffentlichkeit gesungen, rief kürzlich die Behörden in der iranischen Provinz Isfahan auf den Plan – so eine Schändlichkeit wollten sie nicht dulden. Die Frau, die es gewagt hatte, öffentlich zu singen, ist Negar Moazzam. Die Sängerin war im Dorf Abyaneh aufgetreten, einem der ältesten im Iran, das auch bei Touristen sehr beliebt ist.

Ein Video des Auftritts zeigt, wie Moazzam in lokaler Tracht ein iranisches Poplied singt und die Umstehenden dazu klatschen. Es wurde am 17. Mai auf ihrem Instagram-Account hochgeladen, ist dort aber wie andere ihrer Posts derzeit nicht erreichbar. Vertreter der lokalen Kulturerbe-Organisation hätten der BBC zufolge, die sich auf die iranische Nachrichtenagentur Fars berief, den Auftritt beendet.

Moazzam ist nur über soziale Medien bekannt – bei Instagram hat sie über 175.000 Follower –, denn Auftritte von Solosängerinnen im Fernsehen oder Radio werden im Iran nicht geduldet. Zwar verbietet kein Gesetz Frauen, allein in der Öffentlichkeit zu singen, allerdings können als haram angesehene Handlungen in der Öffentlichkeit gemäß dem iranischen Strafgesetz verfolgt und mit bis zu zwei Monaten Gefängnis und 74 Stockschlägen bestraft werden. In der Vergangenheit wurden bereits männliche Sänger strafrechtlich verfolgt, die zusammen mit Frauen aufgetreten waren. Dem Nachrichtenportal The France 24 Observers zufolge hat der Imam aus der Abyaneh nächstgelegenen Stadt Natanz im Interview mit dem Nachrichtenportal Tasmin News, das den Revolutionsgarden nahesteht, verlangt, Polizei und Justiz müssten Moazzams »frevelhaftes Verhalten streng bestrafen«. Der Gouverneur der Provinz gab am 21. Mai an, zwei Personen seien in Zusammenhang mit dem Video vor Gericht geladen worden.

Während die Behörden alles tun, um »frevelhafte« Frauen zu verfolgen, hängt ein Gesetz, das Gewalt gegen Frauen verhindern soll, seit fünf Jahren im Parlament fest. Doch auch hier tut sich etwas: In ein paar Wochen soll es endlich verabschiedet werden. Ein Vertreter der Justiz beschwerte sich allerdings, es sei »zu sexistisch«, da es vorsehe, Ehemänner schon bei »geringsten Spannungen« zwischen den Eheleuten zu inhaftieren.