Die preisgekrönte Reportage

»Machen Sie’s gut!«

Wie man aus einem Rücktritt eine Geschichte macht.

Welche Entscheidungen führten zum Rücktritt von Andrea Nahles? Wer war informiert, wer war außen vor, wer zog im Hintergrund die Fäden? Chirurgen? Was sich anhört wie ein spannender Krimi, ist in Wirklichkeit nur eine Reportage von Markus Wehner und Eckart Lohse, jenem Dreamteam, das jeden Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit glühender Inbrunst Locken auf der Glatze dreht, die deutsche Parteienpolitik heißt.

Kurz nach halb fünf am Nachmittag steht der erste Satz in dem rasanten Nahles-Thriller »Tod durch Giftspritzen«, den Wehner/Lohse in seit Jahren bewährter Jerry-Cotton-Manier erzählen: »Kurz nach halb fünf am Nachmittag, Annegret Kramp-Karrenbauer gibt im Konrad-Adenauer-Haus Entwarnung.« Das hört sich präzise, schneidig und soldatisch an; hier werden Entscheidungen gefällt, hier geht’s um Leben und Tod und nicht etwa darum, was die eine verschnarchte Tante über die andere verschnarchte Tante Schnarchiges gesagt hat. »Ein Spiel mit höchstem Risiko«, nämlich: Kann man über die SPD überhaupt noch etwas sagen, ohne dass das Publikum schon im ersten Absatz einschläft? Lohse/Wehner spielen dieses riskante Spiel, in welchem Uhrzeiten, Anrufe und Politikerzitate, die sie unmöglich selbst gehört haben können, eine große Rolle spielen.

Sechs Uhr zweiundsechzig. Andrea Nahles trinkt den zweiten Marillenschnaps, als sie den Entschluss fasst, alles hinzuwerfen. Klingt unglaublich spannend, wird bestimmt nicht dementiert und bedeutet letztlich überhaupt nichts. Nahles hat gelernt zu pokern, Kramp-Karrenbauer hat gelernt zu morsen. Doch seit Jahren kein Straight Flush. Wer macht den Stich, wer wird am Ende »Uno« rufen? Nahles bestimmt nicht. »Sie hat trotzdem immer weitergemacht. Ihre kleine Tochter hat sie im letzten Jahr kaum gesehen, weil sie immer unterwegs war.« Die Tochter oder Nahles? Wir wissen es nicht. Noch nicht, bis Lohse/Wehner es aufdecken. Süffig geschrieben und so spannend, wie es sonst nur die SPD selbst ist. Deren ehemalige Vorsitzende Nahles bedankte sich im übrigen am Montag für die gute Zusammenarbeit bei den Journalisten und wünschte ­ihnen alles Gute zum Abschied.