Todesschwadronen im Sudan

Der Konterrevolutionär

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman lässt im Sudan die Revolution niederschießen. Seine westlichen Verbündeten lassen ihn gewähren.
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Eines ist in diesen Tagen garantiert: Saudi-Arabien ist mitnichten der reformwillige, sich unter dem Kronprinzen Mohammed bin Salman verjüngende und modernisierende Gegen-Hegemon zum khomeinistischen Iran. Wie ihr Rivale in Syrien trumpft die saudische Despotie im Sudan und zuvor in Ägypten als Meister der Konterrevolution auf.

Im Nil trieben die aufgedunsenen Leichen.

Als saudischer Protegé im Sudan tritt dabei ein Warlord hervor, dessen Miliz eng assoziiert ist mit dem sudanesischen Mukhabarat und sich aus jener rassistisch und panarabistischen Todesschwadron rekrutiert, die seit den dunkelsten Tagen der Krisenregion Darfur als »Dämonen auf Pferden« gefürchtet wird. Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti ist nicht nur der Kommandeur der im Jahr 2013 unter unverdächtigerem Namen – »Rapid Support Forces« – reorganisierten Janjaweed-Miliz. Hemedti gilt – wenn er auch im Moment nur der stellvertretende Vorsitzende des »provisorischen« Militärrates ist – als jener Mann, den Saudi-Arabien als ehestes die Konservierung der sudanesischen Despotie zutraut.

Während nicht wenige Wehrpflichtige der Nationalarmee mit den Protestierenden auf der Straße fraternisieren, rekrutiert sich die Janjaweed-Miliz – es existiert noch eine in den vergangenen Jahren marginalisierte Fraktion der Janjaweed unter Musa Hilal – zu Teilen aus hochideologisierten Männern, die an die Überlegenheit einer »arabischen Rasse« gegenüber den »afrikanischen« Ethnien Sudans glauben. Der Tod ist ihr tägliches Brot. Die Männer des Generals Hemedti fungieren seit längerem im Auftrag der Saudis: im bergigen Nordwesten Jemens sind sie die Konterguerilla der Arabischen Front gegen die rivalisierende Houthi-Miliz, die vom khomeinistischen Iran protegiert wird. Die jemenitische Katastrophe ist dem Janjaweed-Upgrade - neben der blutigen Goldgewinnung in der Darfur Region – die Finanzierungsgarantie der eigenen Ambitionen im Sudan.

Beratungen über »Stabilisierung«

Am 23. Mai traf Hemedti im saudischen Jeddah auf den Kronprinzen Mohammed bin Salman. Sie berieten über die Stabilisierung des Sudans und saudische Investitionen. Einige Tage später im Morgengrauen des 3. Juni fiel seine Miliz über jene Oppositionellen her, die wochenlang zu Tausenden vor der Kommandozentrale des Militärs in Khartoum ausgeharrt hatten und darauf bestanden, dass die sudanesische Despotie nach der Entmachtung von Omar al-Bashir am 11. April aufhört zu existieren. Die Janjaweed-Milizionäre seien in der Folge noch in Kliniken gedrängt, um ihre Opfer zu verfolgen. Im Nil trieben die aufgedunsenen Leichen Ermordeter.

Kooperation mit der EU

Lange fungierte die Miliz als so etwas wie die Prätorianergarde von Omar al-Bashir und doch spekulierte ihre Führung erfolgreich auf den Moment, ihn angesichts der Massenrevolte zu opfern. Die mordenden Männer um General Hemedti haben im Übrigen nicht nur für Saudi-Arabien eine Funktion. Seit 2014 kooperiert die Europäische Union mit dem Sudan, um – mit den salbungsvollen Worten der Europäer gesagt – die »Migration auf einen sicheren und würdevollen Weg zu managen« . Wenn auch die konkrete Kooperation aus nicht viel mehr als dem Training von Polizisten, Grenz- und Justizbeamten, Informationstransfer sowie Fürsorgedienste für Geflüchtete im Sudan besteht, war die zaghafte Annäherung für den von den Märkten isolierten Sudan unter Omar al-Bashir die Aussicht auf Rehabilitation. Um die Europäer zu beeindrucken, drängte Khartoum darauf, die Migrationspassagen von Eritrea und Äthiopien über den Sudan nach Libyen rabiat zu unterbrechen.

Auffällig ist vor allem der hohe Anteil von Frauen an den Straßenprotesten.

Die europäisch-sudanesische Kollaboration mit der Fassade der Humanisierung der Migrationskontrolle stärkte so vor allem die meist militaristischen Elemente im sudanesischen Staat und so wurde die reorganisierte Janjaweed-Miliz, selbst im Menschenschmuggel involviert, vor allem entlang der Grenze zu Eritrea zum militanten Flügel des würdevollen Grenzmanagements, das die Europäische Union bis nach Ostafrika verschiebt. Auf Al Jazeera brüstete sich General Hemedti unlängst damit, dass die Europäer auf ihn angewiesen wären.

Verrat an den Demonstranten

Befremden bei den sudanesischen Oppositionellen provozierte auch, dass der US-amerikanische Chargé d’Affaires Steven Koutsis – er ist der ranghöchste Repräsentant Washingtons im Sudan – General Hemedti während des Fastenbrechens im vergangenen Ramadan mit seiner Anwesenheit beehrte. Kein Zweifel daran, dass die Russische Föderation Vladimir Putins und China der sudanesischen Despotie vertrauter sind und doch ist der »kritische Dialog« , den Europäer wie US-Amerikaner gegenüber dem Schlächter pflegen – auch die Repräsentanten der Europäischen Union und Großbritanniens wurden bei General Hemedti vorstellig –, vor allem eines: Verrat an den Sozialrevolutionären auf den Straßen von Khartoum und anderswo.

Hoher Anteil von Frauen

Organisatorisches Rückgrat der Proteste ist die Assoziation der Berufsverbände: Sudanese Professionals Association. Auffällig ist vor allem der hohe Anteil von Frauen an den Straßenprotesten. Der berüchtigte Paragraf 152 des sudanesischen Strafgesetzes ermöglichte unter Omar al-Bashir Jahr für Jahr die willkürliche Verhaftung tausender Frauen aufgrund ihrer Bekleidung, womit diese die herrschende Moral provoziert hätten. So wucherte eine eigene Ökonomie heran, in der Polizisten Frauen in Haft nahmen, um ihnen horrende Strafzahlungen abzupressen. Während der Massenproteste gegen Bashir forderten Frauen vor allem auch ein Ende des misogynen Paragrafen 152.

»Wir alle sind Darfur«

Die junge Architekturstudentin Alaa Salah, die zur Ikone der Proteste wurde, sang: »Sie haben uns im Namen der Religion verbrannt, uns im Namen der Religion getötet, uns im Namen der Religion eingesperrt.« Vehement wird von den Protestierenden ein Ende der Rekrutierung von Sudanesen für die jemenitische Front gefordert – ganz so wie im Iran mit Blick auf die syrische Katastrophe. In Graffiti wird zudem gefordert, dass der Sudan die Arabische Liga verlässt. Neben der Denunziation Saudi-Arabiens als Aggressor ist auch Kritik gegenüber dem Emirat Katar und seiner Parteinahme für die Muslimbrüder zu hören. Während das Regime von Bashir den arabischen Chauvinismus ausreizte, ist einer der populären Slogans der Protestierenden: »Vergib uns Darfur für das vergossene Blut«. Als zu Beginn des Jahres das wankende Regime an der Universität Sinnar, südöstlich von Khartoum, 32 junge Männer aus Darfur verhaftete und sie als Agenten des Mossad denunzierte, riefen Protestierende »Du arroganter Rassist, wir sind alle Darfur«. ´

Beitrag zuerst erschienen auf Cosmoproletarian Solidarity