Die preisgekrönte Reportage

Mit Gauck und Gottes Hilfe

Der Kirchentag aus Polizistensicht.
Kolumne Von

Eine lange Schlange vor dem Workshop »Gauck malen«. Mario Z. erklärt, worum es im Malkurs geht: »Wir stellen uns die Frage: Wie würde Gott aussehen, wenn er die Gestalt unseres Ex-Bundespräsidenten angenommen hätte? Und können Bilder von Gauck Krankheiten heilen?« Im Seminar nebenan geht es um Mode: Ist eine gauckgefällige Kleidung möglich, und wie kann sie aussehen? Der evangelische Kirchentag war dieses Jahr so zeitgemäß und aktuell wie schon lange nicht mehr. Die langweiligste Darreichungsform der langweiligsten Religion der Welt schafft es, sich jedes Jahr noch einmal neu zu erfinden. Es wird ordentlich was weggeglaubt im christevangelischen Milieu! Wohlfeilen Spott über Seminare wie »Vulven malen« steckt sie locker weg. In Dortmund ist die Kirche mittendrin in der Gesellschaft, sozial engagiert wie nie! Gerade den Schwächsten in ­unserer Gesellschaft widmet sie ihre volle Aufmerksamkeit. Berthold H., Beamter der Bundespolizei, sagt, dass er ohne den geistlichen Beistand nur schwer seine Arbeit machen könne. Der Mittfünfziger aus Stuttgart, der mit anderen Kollegen am Stand der Polizeiseelsorge Ansprechpartner ist, wirkt sehr betroffen, wenn er von den Abschiebungen spricht, die er begleiten muss. Die Gegenwehr, die er da mitbekommt, sei so heftig, dass er das alles nicht mehr ertragen könne. Flüchtinge zögen sich aus, beschmierten sich mit Kot und täten lauter Dinge, um ihre Abschiebung zu hintertreiben.

Besonders schlimm findet H. die Emotionalität, mit der Familien reagierten, die aus Deutschland abgeschoben werden. Er sei heilfroh, dass er nach diesem Stress ein Schwätzchen mit einem Polizeiseelsorger wie Oberpfarrer Jochen F. halten könne. Er sagt, dass viele seiner Kollegen diese Gespräche brauchten. Denn dafür ist sie immer noch gut, die evangelische Kirche: der Entmenschlichung höhere Weihen geben! Den Softies, die wider Erwarten doch noch eine Gewissensregung haben, diese ebenso schnell wieder ausreden, wie sie gekommen war! Auf dass es ihnen, mit Gottes Hilfe und der Kirche Segen, beim nächsten Mal nicht ganz so schwerfällt, Familien auseinanderzuprügeln und ins Elend zu schicken. Der Kirchentag zeigt: Die Kirche wird gebraucht.