AfD-Politiker Junge bei Hart aber fair

Demokratische Selbsttäuschung

Wer AfD-Politiker in Talkshows einlädt, verkennt, dass Rechtsextreme gar nicht an einem Diskurs interessiert sind. Im Gegenteil: Sie wollen den demokratischen Diskurs zerstören.
Gastkommentar Von

Die Polittalkshow Hart aber fair hat es geschafft, das mediale Interesse wieder auf die alte Gretchenfrage zu lenken: Soll man mit Rechten reden? Angesichts der Tatsache, dass viele in seiner Partei »Lügenpresse«-Journalisten aufknüpfen und die öffentlich-rechtlichen Quatschbuden lieber heute als morgen schließen möchten, war man gespannt, was der rheinland-pfälzische AfD-Fraktionsvorsitzende Uwe Junge auf die Leitfrage der Sendung »Wie gefährlich ist rechter Hass?« wohl zu sagen hätte.

Uwe Junge betonte pflichtbewusst, dass die AfD den Mord an Lübcke »in schärfster Form« kritisiert habe und als »Rechtsstaatspartei« gegen »jede Form von Extremismus und Gewaltanwendung« sei. Selbst »Opfer eines solchen Angriffes«, suggerierte er eine bestehende Eskalation zwischen links und rechts, als wäre er selbst nur knapp einer Hinrichtung vor der eigenen Haustür entgangen.

Obwohl es einige Versuche seitens des Moderators Frank Plasberg gab, Junges Gleichsetzung von rechter und linker Gewalt zurückzuweisen, scheiterte er letztlich bei dem Versuch, die Medienstrategie des ehemaligen Dezernatsleiters des Zentrums Operative Kommunikation der Bundeswehr zu kontrollieren. Nicht nur bekam Junges überdurchschnittlich viel Redezeit, Plasberg, versuchte zudem, ihm die Teilnahme an der Sendung so angenehm wie möglich zu gestalten. Kritiker von Junges Einladung sahen sich dadurch bestätigt.

Aufschlussreicher als die nachträgliche Gesinnungsschnüffelei darüber, ob Plasberg und seine Redaktion selber AfD-affin seien, ist jedoch die Beobachtung, dass Institutionen wie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einer demokratischen Selbsttäuschung erliegen. Diese besteht in der Fehlannahme, dass es den Rechten um einen ebenbürtigen Diskurs ginge, wo Plasbergsche Parameter wie Härte und Fairness zählen. Die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl hat bereits einige Tage vor der Sendung auf Twitter daran erinnert, dass es rechten Parteien gerade nicht um eine gleichberechtigte Teilnahme, sondern um die Zerstörung des demokratischen Diskurses geht. Warum sie also einladen?

Wie eine verantwortliche Sprecherin ankündigte, wird sich der WDR-Rundfunkrat in einer der kommenden Sitzungen des Falls annehmen und sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Teilnahme von Abgeordneten einer antidemokratischen Partei nicht in Widerspruch zu den eigenen staatsvertraglichen Statuten steht.

In diesen lässt sich unter dem vierten Paragrafen nachlesen, dass das Programm des WDR »das friedliche und gleichberechtigte Miteinander der Menschen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen im Land fördern« und »den Belangen der Bevölkerung einschließlich der im Sendegebiet lebenden Menschen mit Migrationshintergrund Rechnung« tragen soll. Aber auch der fünfte Paragraf kann als Anlass zur Überlegung dienen, ob durch die Teilnahme der europa- und asylfeindlichen, rassistischen, antisemitischen und patriarchalen Alternativpartei an öffentlich-rechtlichen Talkshows »die internationale Verständigung, die europäische Integration, der gesellschaftliche Zusammenhalt, ein diskriminierungsfreies Miteinander in Bund und Ländern und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern« wirklich gefördert werden.