Ziviler Ungehorsam gegen Abschiebung

»500 Menschen, die wütend sind«

In Leipzig haben Demonstranten versucht, die Abschiebung eines Syrers zu verhindern. Warum die Situation eskalierte, erzählt Josphine Gariz vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

In Leipzig versuchten 500 Menschen, eine Abschiebung zu verhindern. In einer engen Seitenstraße blockierten sie ein Polizeiauto, mit dem ein 23jähriger Syrer abtransportiert werden sollte. Am Ende gelang es den Behörden dennoch, den jungen Mann nach Spanien abzuschieben. Zwischen der Polizei und Protestierenden kam es zu Zusammenstößen, bei denen mehrere Personen teils schwer verletzt wurden. Josephine Garitz ist Vorstandsmitglied im Sächsischen Flüchtlingsrat und hat das Geschehen miterlebt.

Wie haben Sie von der Abschiebung erfahren?
Über verschiedene Telegram-Gruppen. Außerdem waren Bekannte von mir in der Blockade. Sie schrieben, dass noch Unterstützung benötigt werde. Das hat sich relativ schnell im Viertel und bei den Leuten verbreitet, die dort wohnen.

Warum sind Sie selbst hingefahren?
Ich engagiere mich schon lange gegen Abschiebungen in Leipzig. Es gab lange Zeit wenig Aufmerksamkeit und zivilgesellschaftlichen Protest. Dass 500 Menschen wütend sind und sich gegen eine Abschiebung einsetzen, war für mich eine positive Nachricht. Das wollte ich auf jeden Fall unterstützen. Ich bin generell gegen Abschiebungen. Sie sind für mich nicht mit den Menschenrechten vereinbar.

Wie haben Sie die Situation an Ort und Stelle erlebt?
Ich kam, als die Blockaden standen, und hatte das Gefühl, dass die Leute sehr entschlossen sind. Es war eine positive Stimmung, bis sich ein Greiftrupp brutal durch die Menge boxte, um die Person, die abgeschoben werden sollte, aus dem Polizeiauto zu holen. Das war aus meiner Perspektive die erste Eskalation an diesem Abend. Die Polizei ist gegen Personen, die einen sehr friedlichen zivilen Ungehorsam ausübten, gewalttätig vorgegangen. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum sie dann die Leute um dieses Auto herum zusammengetrieben hat. Danach wollte die Polizei vermutlich ihr Auto freibekommen und es nicht zwischen den Leuten stehen lassen. Aber viele wollten sich in ihrem eigenen Viertel nicht von der Straße kehren lassen.

Wie ging es weiter?
Es war eine beengte, chaotische Situation, in der es vor allem in den vorderen Reihen zu Gerangel kam. Ich kann nicht sagen, wer anfing. Allein dadurch, dass es zwischen dem Polizeiauto und den umstehenden Autos extrem eng war, entstand eine schlecht zu kontrollierende Dynamik. Dann flogen Flaschen und es eskalierte sehr schnell. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein und sprühte Personen Pfefferspray direkt ins Gesicht. Ich sah Menschen, die weinten und panisch versuchten, in Häusereingänge zu rennen. Einige bluteten. Die Polizei wollte Sachschaden an ihrem Auto verhindern, aber hätte sie sich zurückgezogen, wäre es wohl nicht so eskaliert.

Der junge Mann wurde trotz allem abgeschoben. Hat sich der Protest dennoch gelohnt?
Es war ein guter Anfang. Abschiebungen lassen sich vor allem dadurch verhindern, dass Leute in soziale Netzwerke eingebunden sind. Davon hängt ab, ob sie Zugang zu Anwälten haben, die schnell erreichbar sind und schnell Rechtsmittel gegen Abschiebungen einlegen können. Bei dem Protest ging es nicht nur um die Person an sich, sondern auch darum, zu sagen: Das ist unser Viertel und ihr könnt nicht einfach herkommen und Leute rausreißen. Die Abschiebung war wahrscheinlich rechtmäßig, aber aus einer humanistischen Perspektive trotzdem falsch. Es braucht weiterhin lautstarken Protest und noch mehr Leute, die offen sagen, dass ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel ist.