Der neue britische Premierminister Boris Johnson bereitet den »No Deal-Brexit« vor

Bahn frei für den harten Ausstieg

Seite 5 – Deal or no deal?

Die Zentrifugaltendenzen im Vereinigten Königreich werden auch anderswo stärker. In Wales ist die nationalistisch-sozialdemokratische Partei Plaid Cymru in ­einer aktuellen Umfrage erstmals vor Labour, den Tories und Nigel Farages Brexit Party auf Platz eins gelandet. In Schottland bezeichnete die Regierungschefin Nicola Sturgeon, die Vorsitzende der für die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich eintretenden Scottish National Party, Johnsons neue Regierung wegen ihrer »No-deal«-Strategie als »gefährlich«; Schottland brauche eine Alternative zum EU-Austritt, das Parlament werde demnächst über ein erneutes Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands beraten. Das britische Pfund sank wegen der Befürchtungen eines »No-deal-Brexit« am Montag auf den niedrigsten Stand seit 28 Monaten.

Ob das Getöse von Boris Johnson und seinem Kabinett nur ein Bluff ist, um die EU doch noch zu Zugeständnissen zu bewegen und insbesondere die Tory-Partei angesichts der rivalisierenden, erstarkenden Brexit Party zusammenzuhalten, ist unklar. Die britische Tageszeitung The Guardian zitierte einen anonymen EU-Diplomaten, der argumentierte, der gesamte Austrittsprozess, von David Camerons Referendum 2016 bis Johnsons »No-deal«-Versprechen, sei ein Versuch, die Einheit der konservativen Partei aufrechtzuerhalten, mit den Worten: »Wie können wir mit einem Partner verhandeln, der gerade bewiesen hat, dass er komplett irrational ist und gewillt, Dinge zu zerstören, um seine Partei komplett vereint halten?«

Ein Sprecher der Europäischen Kommission fasste die Lage trocken zusammen: »Ob das Vereinigte Königreich auf einen No-deal vorbereitet ist, geht uns nichts an. Unsere Vorbereitung auf einen No-deal schützt die EU und unsere Interessen für den Fall ­eines No-deal-Brexit. Ein No-deal-Szenario ist nicht unser bevorzugtes Ergebnis.«