Dem Putschversuch in Äthiopien folgt eine Regierungskrise

Exklusive Ethnien

In Äthiopien kommt es immer wieder zu Unruhen, denen ethnisierte Konflikte zugrunde liegen. Ministerpräsident Abiy Ahmed will mit der ethnonationalistischen Politik seiner Vorgänger brechen.

Wie viele Tote es genau waren, ist nicht klar. Am 19. Juli kamen in der südäthiopischen Stadt Awassa mindestens drei, mutmaßlich bis zu 20 Menschen bei Protesten ums Leben, als Sicherheitskräfte auf die Demonstrierenden schossen. Sie hatten für die Abspaltung der Sidama-Zone im Südwesten des Landes von der »Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker« protestiert, einer der neun Verwaltungsregionen Äthiopiens. In der Sidama-Zone ist die Bevölkerungsgruppe der Sidama in der Mehrheit.

Einen Tag zuvor, am 18. Juli, hatte die Oppositionspartei Sidama Liberation Movement Party (SLMP) einseitig die Abspaltung der Sidama-Zone erklären wollen. Million Tumato, der Vorsitzende der SLMP, sah jedoch davon ab, nachdem die äthiopische Regierung zugesagt hatte, in fünf Monaten über die Gründung einer eigenen Verwaltungseinheit mit eigenem Parlament ein Referendum abzuhalten. Tatsächlich hatte die äthiopische Regierung ein solches längst zugesagt, es aber nicht im vereinbarten Zeitraum von einem Jahr realisiert.

Artikel 39 der äthiopischen Verfassung gesteht »jeder Nation, jeder Nationalität und jedem Volk« im Land – was am ehesten als »ethnische Gruppe« gefasst werden kann – das »Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf Sezession eingeschlossen«, zu. Wird dies gefordert, kann mittels Referendum entschieden werden, ob man sich als autonome Region mit ­eigenem Parlament abspalten möchte. Nicht alle Anhänger und Parteimitglieder der SLMP waren jedoch mit Tumatos Entscheidung einverstanden, woraufhin es zum Protest in Awassa kam.