Containern als Straftat

Mein Müll gehört mir

Seite 2 – Sanfte Revolutionäre
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Wo das sogenannte Containern legal ist oder geduldet wird, herrschen keine chaotischen oder gewalttätigen Zustände auf den Hinterhöfen der Supermärkte. Zum Ehrenkodex der Freeganer, wie die Essensretter sich international nennen, gehört es, nicht wegzurennen, wenn man erwischt wird. Stattdessen soll man das Gespräch mit Polizisten oder Supermarktmitarbeitern suchen und sie über das Problem aufklären. So hat Nicole es auf einer Veranstaltung von Umweltschützern einst gelernt: »Nach dem Gesetz mag es nicht rechtens sein, aber moralisch ist es wichtig und richtig.«

Deshalb gibt es in der Szene noch weitere Regeln. Wenn man sich am Container trifft, soll geteilt werden und der Tatort soll so ordentlich verlassen werden, wie man ihn vorgefunden hat. »Wir wollen den Marktleitern ja nicht schaden«, betont Nicole. Sie und ihre Mitstreiter verstehen sich als sanfte Revolutionäre. Zumeist sind es nicht Armut oder Hunger, die sie zu den Mülltonnen treiben – es ist die Wut auf die herrschenden Zustände.

Je nachdem, welche Berechnung man heranzieht, werden in Deutschland elf bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr weggeworfen. Das ist nicht nur moralisch empörend, sondern auch ökologisch problematisch. Viele Ackerflächen könnten Naturschutzgebiete sein, wenn alle Agrarprodukte tatsächlich verzehrt würden. »Insgesamt trägt die Ernährung jährlich mit rund 1,75 Tonnen an klimarelevanten Emissionen pro Person zu den Treibhausgasemissionen durch privaten Konsum bei«, schreibt das Bundesumweltministerium. »Damit liegt sie fast in derselben Größenordnung wie bei den Emissionen durch Mobilität in Deutschland.«

Wer von der Biotonne nicht reden will, sollte vom SUV also schweigen. Laut der Studie des WWF »Das große Wegschmeißen« wird in Deutschland fast ein Drittel aller Lebensmittel nicht verbraucht. Eine effiziente Organisation der Nahrungsversorgung, die keine Lebensmittel in die Tonne schickt, könnte demnach die CO2-Emissionen erheblich vermindern.