Erinnerung an den Warschauer Aufstand

»Ob wir überleben würden«

Vor 75 Jahren begann der Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer. Der polnische Schriftsteller Miron Białoszewski beschreibt in seinen Erinnerungen das Grauen der Leichenberge und die Akte der Solidarität.

»Gedränge. Panik. Beten. Krachen. Dröhnen. Rattern der Bomben. Stöhnen und Angst. Wieder kommen sie im Tiefflug. Anscheinend hat es in unsere Fassade eingeschlagen, wir ducken uns. Neben mir klopft sich eine alte Nachbarin an die Brust: ›Heiligstes Herz, Jesu, erbarme dich unser … ‹«. Im gehetzten Stakkato-Ton beschwört Miron Białoszewski die Ereignisse während des Warschauer Aufstands herauf, wie er sie als junger Mann erlebte.

»Ich rede von mir – einem Laien. Und von anderen. Auch Laien. Falls es uns gestattet ist, etwas zu sagen, denn wir sind auch dort gewesen«, stellt er in dem in den sechziger Jahren niedergeschriebenen Bericht voller Sarkasmus fest. Im offiziellen Gedächtnis Polens gab es bis dahin nur Helden. In dem 1970 erstmals in Polen veröffentlichten Buch »Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand« wurden diese und weitere Passagen Białoszewskis zensiert. Die vollständige Fassung des Buches erschien erstmals 2014. In diesem Jahr, 75 Jahre nach dem Warschauer Aufstand, publiziert der Suhrkamp-Verlag das Buch erstmals vollständig auf Deutsch.

Der 1922 in Warschau geborene Miron Białoszewski wurde nach der Niederschlagung des Aufstands in verschiedene Gefangenenlager deportiert. Nach seiner Freilassung 1945 arbeitete er als Reporter. 1955 gründete er das Teatr Osobny, das Sartre, Grotowski, Mrożek, Różewicz und Kantor zu seinen Gästen zählte. Białoszewski gilt als wichtigster Repräsentant der »linguistischen Poesie«. Er starb 1983 in seiner Geburtsstadt.