Der Adel will fürstlich abkassieren

Ein deutscher Clan

Die Hohenzollern fordern Schlösser, Villen und Kunstschätze zurück, die sie sich im Laufe der Jahrhunderte ergaunert haben. Der Staat sollte sie nicht entschädigen, sondern komplett enteignen.
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Entschädigungsansprüche des preußischen Adels gegen die deutsche Republik – das war bis vor kurzem bloß ein Thema für Menschen, die sich mit der Geschichte der Weimarer Republik befassen. Das Begehren der Hohenzollern, nach der Novemberrevolution von 1918 / 1919 für den Verlust von Macht, Schlössern, Ländereien und Kunstschätzen im Wortsinn fürstlich entschädigt zu werden, stellte wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg noch einen echten Skandal dar. Vor allem, weil Wilhelm II. als deutscher Kaiser und Oberhaupt der preußischen Herrscherfamilie diesen Krieg maßgeblich mitzuverantworten hatte.

Eine echte bürgerliche Demokratie müsste auch das restliche Vermögen der Hohenzollern umgehend einziehen.

Von der deutschen Verantwortung für den Ersten Weltkrieg hat sich die hiesige Gesellschaft unter anderem mit Hilfe des australischen Historikers Christopher Clark und dessen 2013 auf Deutsch erschienenen Werks »Schlafwandler« rechtzeitig zum damals ­nahenden 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs selbst freigesprochen. Wenn Deutschland keine besondere Schuld am Weltkrieg trägt, so vielleicht die damalige Überlegung der Nachfahren des Kaisers, dann unser Ururahn erst recht nicht. Zu der Schlussfolgerung, dass der 1919 erlittene Verlust von Titel und Besitztümern eine historische Ungerechtigkeit sei, die zumindest im Fall der Besitztümer revidierbar wäre, dürfte es dann nur ein kleiner Schritt gewesen sein.

Denn seit 2014 laufen, wie der Berliner Tagesspiegel im Juli enthüllte, Geheimverhandlungen zwischen »dem Haus Hohenzollern« und der Bundesregierung über Ansprüche, die die Hohenzollern zu haben meinen. Da geht es vorrangig um Geld, Immobilien und Kunstschätze. Doch auch ein repräsentativer Wohnsitz in einem der Potsdamer Schlösser und inhaltliche Mitbestimmungsrechte für die Dynastie bei einem von der öffentlichen Hand im Berliner Schloss Charlottenburg zu errichtenden und betreibenden Museum ­stehen auf dem Wunschzettel der Hohenzollern.

Leibeigenschaft, Krieg und Raub

Das scheint irgendjemandem mit Einblick in die Verhandlungen dann doch zu frech vorgekommen zu sein, so dass die entsprechenden Informationen an den Tagesspiegel weitergereicht wurden. Und hier liegt auch der gröbste Skandal dieser Geschichte: Da verhandelt die Bundesregierung jahrelang mit einer adligen Familie, mit dem Ziel der Übertragung ökonomisch und historisch bedeut­samer Besitztümer der öffentlichen Hand, die über Jahrzehnte mit einem hohen Einsatz an Steuergeldern erhalten wurden, ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas erfährt. Nach dem Bekanntwerden dieser Verhandlungen mokieren sich Beobachter vorwiegend über die hohen Forderungen der Hohenzollern.

Dabei gilt es festzustellen und festzuhalten, dass die in Frage stehenden Besitztümer von ihren adligen Vorbesitzern über Jahrhunderte nur durch Drohung mit oder Anwendung von Gewalt ­angesammelt werden konnten. Sie verdanken sich Leibeigenschaft, Krieg, ordinärem Raub – eine echte bürgerliche Demokratie müsste eigentlich auch das restliche Vermögen der Hohenzollern (und dass anderer ehemaliger Fürstenfamilien) umgehend einziehen.

Doch anstatt grundlegend und öffentlich die Legitimität von deren Forderungen zu diskutieren, machen deutsche Journalisten, Politiker und Juristen immer noch täglich vor den vor 100 Jahren entmachteten Adligen einen Bückling. Kaum ein Zeitungsartikel, in dem das Familienoberhaupt der Hohenzollern nicht als »Prinz« tituliert wird, bei den Verhandlungen soll er sogar als »kaiserliche Hoheit« angesprochen worden sein.

Der Prinz als »fairer Verhandlungspartner«

Besonders würdelos gibt sich in diesem Zusammenhang die SPD. Deren Parteiführung wollte die Hohenzollern schon 1919 nicht enteignen, unter anderem, weil ihnen diese dann doch näherstanden als die Mächte der Entente, von denen man fürchtete, dass sie das fürstliche Vermögen als Reparation beanspruchen könnten. Nach der Enthüllung der Geheimverhandlungen warnte André Schmitz, ein Unterhändler in den Verhandlungen, SPD-Mitglied und ehemaliger Chef der Berliner Senatskanzlei, im Interview mit dem Tagesspiegel davor, »Stimmung gegen den Adel zu machen«, und lobte den »Prinzen« als fairen Verhandlungspartner.

Die SPD bezieht in Berlin, Brandenburg und auch auf Bundesebene zu den Forderungen der Hohenzollern kaum Position. Für bestimmte Kreise in der SPD spielt, relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit, die positive Bezugnahme auf Preußen und die Hohen­zollern seit Jahren eine große Rolle. So ist beispielsweise der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam, der traditionellen Grab­stätte preußischer Könige, unter anderem von Sigmar Gabriel und Franz-Walter Steinmeier maßgeblich vorangetrieben worden.

Auf den Zusammenhang zwischen der Wiederherstellung preußischer Machtarchitektur in Potsdam und Berlin und den Geheimverhandlungen zwischen Hohenzollern und Bund weist Diana Blond hin. Die linke Aktivistin aus Potsdam ist eine langjährige Beobachterin und Kritikerin dieser Entwicklung. Sie konstatiert im Gespräch mit der Jungle World: »Wenn man ganze Stadtzentren so umbaut, als ob es nie eine Revolution gegeben hätte, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn sich die Leute verhalten, als hätte es nie eine solche gegeben.«