»Historikerbericht« der FPÖ

Die FPÖ will koscher werden

Eine Historikerkommission soll die »braunen Flecken« der FPÖ aufarbeiten, doch die Aufarbeiter sind selbst rechtsextrem. Nun will die Partei den Bericht von Israelis absegnen lassen.

Es begann mit einem Lied. Im Januar 2018 berichtete die Wiener Wochenzeitung Falter über ein Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, deren stellvertretender Obmann (Vorsitzender) damals der Spitzenkandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) in Niederösterreich war, Udo Landbauer. In dem Buch fanden sich reihenweise rechtsextreme Texte mit Zeilen wie: »Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million!«

»So etwas Unprofessionelles hat es noch nie gegeben«, kommentiert der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Uni Wien. 

Das brachte die Regierungskoalition zwischen der FPÖ und der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) unter Druck. Landbauer trat vorübergehend von allen politischen Ämtern zurück und die FPÖ kündigte auf Drängen der ÖVP an, eine Historikerkommission einzusetzen, die die »braunen Flecken« in der Geschichte der Partei und ihrer Vorgängerorganisation, des Verbands der Unabhängigen (VdU), sowie die Verflechtungen zwischen FPÖ und deutschnationalen Burschenschaften wissenschaftlich aufarbeiten sollte.

Am Montag vergangener Woche präsentierte die FPÖ den Medien eine 32seitige Zusammenfassung, doch schon die zeigte, dass der Bericht exakt die Verhöhnung historisch informierter Menschen sein würde, die zu erwarten war. So findet sich in dem Vorbericht dieser Absatz: »Weder VdU noch FPÖ waren formell Nachfolgeorganisationen der NSDAP. Und sie strebten auch nicht – wie die Auswertung des inhaltlich-materiellen Bereichs zeigt – politisch die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes an.« Niemand hatte behauptet, der VdU und die aus ihm hervorgegangene FPÖ, das sogenannte Dritte Lager neben ÖVP und SPÖ, seien »formelle Nachfolgeorganisationen der NSDAP« gewesen, denn als solche wären sie niemals zugelassen worden.

Ein Ex-FPÖ-Mann leitet die Kommission

Auf den eigentlichen Anlass, nämlich die personellen Verbindungen zwischen rechtsextremen Burschenschaften und Partei, geht der FPÖ-Bericht nur am Rande ein. Zwar räumt er ein, dass Burschenschafter, obwohl eine verschwindend kleine Minderheit der Gesamtbevölkerung, in der FPÖ stark vertreten seien und die Partei fast ihr gesamtes Spitzenpersonal aus den Burschenschaften rekrutiere, doch Genaueres könne man leider nicht sagen, da die Burschenschaften »private Vereine« seien, die keinen Zugang zu ihren Archiven gewährt hätten.

Immerhin steht in der Zusammenfassung: »Die Geschichte des Dritten Lagers nach 1945 weist eindeutig Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus auf.« In der FPÖ hätten sich »mehr als in anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen finden lassen«.

Nichts davon ist neu und entsprechend kritisch sehen Historiker den Bericht. »So etwas Unprofessionelles hat es noch nie gegeben«, kommentierte der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, Oliver Rathkolb, das Machwerk der FPÖ im Österreichischen Rundfunk. Dass seine Fakultät nicht hinzugezogen worden sei und bis zur Vorveröffentlichung nicht mitgeteilt wurde, wer an dem Bericht mitgearbeitet hat, sei »unüblich« und widerspreche wissenschaftlichen Standards.

Ebenfalls gegen wissenschaftliche Standards dürfte verstoßen, dass die Kommission von dem ehemaligen FPÖ-Politiker Wilhelm Brauneder geleitet wird, der dem deutschnationalen Flügel der Partei zugerechnet wird.

»Ein taktisches Manöver«

Unter Brauneder arbeiteten Personen wie der FPÖ-Parteiideologe und Burschenschafter Andreas Mölzer. Dieser hatte in der Zeitschrift Kärntner Monat ­offenherzig zugegeben, dass die Historikerkommission vor allem »ein taktisches Manöver« sei, »um aus den Schlagzeilen zu kommen«. Gemeint waren die Schlagzeilen über das Liederbuch und die vielen »Einzelfälle«, also Aussagen von FPÖ-Politikern, deren Inhalt nur knapp an offen nationalsozialistischen Vorstellungen vorbeischrammte.

Kein Wunder daher, dass die Idee für eine Historikerkommission von der ÖVP kam, die ihre Koalition mit der FPÖ absichern wollte. Ein Jahr nachdem die FPÖ die Kommission vorgestellt hatte, war bekannt geworden, dass der ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei Historikern vorgesprochen hatte, um diese zur Mitarbeit an der Kommission zu bewegen.

Der Bericht sollte eigentlich schon Anfang dieses Jahres vorgestellt werden, doch der Termin wurde immer wieder verschoben. Die FPÖ begründete dies damit, dass man sich das Konvolut von israelischen Historikern absegnen lassen wolle. Wörtlich sprach die Nachrichtenagentur APA mit Bezugnahme auf eine nicht genannte Quelle in der FPÖ von einem »Koscher-Stempel« aus Israel. Das dürfte schwierig werden. Zum einen gibt es in Israel nicht allzu viele Historiker, die schwerpunktmäßig zur österreichischen Nachkriegspolitik forschen. Zum anderen gilt es in Israel immer noch als nahezu unvorstellbar, sich mit der FPÖ einzulassen.

Liebeswerben in Israel

Zwar schaffte es die Partei, Kontakte zu einzelnen weit rechts stehenden Knesset-Abgeordneten aufzubauen, doch von unabhängigen Akademikern ein Unbedenklichkeitszeugnis ausgestellt zu bekommen, dürfte schwieriger sein, als beispielsweise den Likud-Abgeordneten und Rabbiner Jehuda Glick zu bezirzen. Dieser ist einer der wenigen israelischen Politiker, die dem Liebeswerben der FPÖ in Israel nachgegeben haben; er war auf Einladung der FPÖ schon in Wien. Angeblich fanden sich doch zwei israelische Historiker, die sich den Bericht wenigstens ansehen wollten. Deren Namen behält die FPÖ bislang aber für sich.

Bei österreichischen Historikerinnen und politischen Kommentatoren sorgt die Begierde der FPÖ nach israelischer Anerkennung für ebenso viel Kopfschütteln wie das Auslassen aktueller Fälle von Verstrickungen der FPÖ ins rechtsextreme Milieu.

So geht der Bericht auf die Verbindungen der Partei zur Identitären Bewegung gar nicht erst ein. Diese seien nämlich »nichts Historisches«, so das Kommissionsmitglied Mölzer. Dass er nicht gern von den Identitären sprechen will, ist verständlich, gilt er doch als einer der Vordenker dieser Szene, da er unter anderem Kernideologeme des gegenwärtigen völkischen Rechtsextremismus wie »Umvolkung« und »Bevölkerungsaustausch« bereits vor über 20 Jahren in die öffentliche Debatte Österreichs eingebracht hatte.

Wie auch immer der vollständige Bericht ausfallen wird, ist doch schon länger klar, dass er nur zur Farce werden kann, da von unabhängiger Wissenschaft keine Rede sein kann. Es ist ein bisschen so, als würden die Panzerknacker einen Bericht über kriminelle Vereinigungen in Entenhausen verfassen.