Betrüger und Hochstapler im Sport, Teil vier

Geist in der Maschine

Weil es im Sport um Ruhm und Geld geht, sind auch Hochstapler nicht weit. Manchen kommt man erst nach ihrem Tod auf die Schliche, andere kommen bei ihrem Betrugsversuch ums Leben.

Wolfgang von Kempelen und sein »Schachtürke«
1769 wohnte der Erfinder und Architekt Wolfgang von Kempelen auf Einladung der österreichische Kaiserin Maria Theresia einer Vorführung magnetischer Experimente des Franzosen Jean Pelletier bei. Er zeigte sich wenig beeindruckt und versprach der Regentin, etwas viel Aufsehenerregenderes zu bauen. 1770 präsentierte der Erfinder der Kaiserin den »Schachtürken«. Es handelte sich um eine in türkische Tracht gehüllte mechanische Puppe, die vermeintlich selbständig menschliche Gegner im Schachspiel besiegen konnte.

Die Wiener Gesellschaft war gleichermaßen fasziniert wie verschreckt, denn der »Schachtürke« galt als die erste autonom handelnde Maschine der Welt. In philosophischen Zirkeln entspann sich eine Debatte über die Vorteile und Gefahren von »Künstlicher Intelligenz«, die der derzeitigen verblüffend ähnelt. Kempelen wurde in den Gazetten als »neuer Prome­theus« gefeiert und Fachleute kamen zu dem Schluss, die Maschine verfüge über eine eigenständige Intelligenz. Kempelen ging mit dem »Schachtürken« auf eine erfolgreiche Tournee, doch als seine junge Tochter überraschend starb, zog er sich zurück.

Nach Kempelens Tod 1804 kaufte der deutsche Erfinder Johann Nepomuk Mälzel den »Androiden« von Kempelens Erben und ging damit auf eine große Tournee. In Paris besiegte die Maschine einen verdutzten Benjamin Franklin; als Napoleon Bonaparte 1809 zu schummeln versuchte, fegte der mechanische Arm des »Schachtürken« die Figuren vom Feld. Dann verließ Mälzel mit der Maschine Europa und begann in den USA eine neue Karriere. Der »Schachtürke« wurde auch dort so populär, dass Geistesgrößen wie Edgar Allan Poe Essays über den Apparat verfassten. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts häuften sich Berichte, dass Zeugen nach einer Vorstellung beobachtet hätten, wie ein kleinwüchsiger Mann aus dem vermeintlichen Schachcomputer kletterte.

Heutzutage geht die Forschung davon aus, dass Kempelen an der Konstruktion eines echten Computers gescheitert war und stattdessen ein technisch fast ebenso beeindruckendes Gerät erschuf, in dem sich ein Spieler verbergen konnte, der anhand von magnetischen Signalen die Züge seines Gegners verfolgen und die Arme des Automaten mit einem System aus Hebeln bewegen konnte. Man nimmt auch an, dass in den ersten Jahren Kempelens früh verstorbene Tochter das verborgene Schachgenie in der Maschine war, das selbst große Meister besiegte.

Ein Betrüger hat Gewissensbisse

Per Anhalter ins Ziel: Frederick Lorz.

Bild:
Gemeinfrei

Frederick Lorz, der Anhalter
Beim Marathonwettbewerb der Olympischen Spiele 1904 in St. Louis lief der New Yorker Athlet Frederick »Fred« Lorz als Erster durchs Ziel. Er hatte für die Strecke nur drei Stunden und 13 Minuten benötigt, weit weniger als der Zweitplatzierte. Während Lorz mit der Präsidententochter Alice Roosevelt für Fotos posierte und auf die Verleihung der Goldmedaille wartete, fand das Olympische Komitee heraus, dass der vermeintliche Sieger einfach ein vorbeifahrendes Auto angehalten hatte, in dem er dann elf Meilen der Marathonstrecke zurückgelegt hatte. Lorz wurde lebenslang für die Olympischen Spiele gesperrt. Ein Jahr nach seinem Betrugsversuch gewann er den Boston-Marathon – ganz ohne Auto.

Donald Crowhurst – ein fataler Segelbetrug
1968 schrieb die Londoner Sunday Times einen Preis, den »Golden Globe«, für den ersten Einhandsegler aus, dem es gelingen sollte, nonstop die Welt zu umschiffen. Ein weiterer Preis – nach heutiger Kaufkraft etwa 80.000 Euro – sollte demjenigen winken, der die Erde am schnellsten umsegelte. Teilnehmen durfte jeder. Auf den britischen Geschäftsmann Donald Crowhurst, der mit seinem Unternehmen kurz vor der Pleite stand, wirkte ein solcher Preis offenbar sehr attraktiv.

Obwohl er über sehr wenig Segelerfahrung verfügte, konnte er den Geschäftsmann Stanley Best dazu überreden, ihm ein Schiff zu leihen. Während Crowhurst in Richtung Kap Hoorn unterwegs war, begann er damit, falsche Positionsangaben zu funken, mit denen er sich auf dem Papier unter die ersten drei Bewerber schummelte. Tatsächlich war er jedoch voll und ganz damit beschäftigt, nicht Schiffbruch zu erleiden, denn das Schiff hatte Lecks und seine Lenzpumpen funktionierten kaum. Wahrscheinlich im Bewusstsein, eine Umrundung des gefährlichen Kaps nicht lebend zu überstehen, ankerte der Geschäftsmann stattdessen einige Monate vor Südamerika, um anschließend eine erfolgreiche Weltumrundung vorzutäuschen.

Dazu fälschte er sein Logbuch und hielt fast elf Monate lang Funkstille. Mehrere Mitbewerber hatten unterdessen aufgegeben; der in Führung liegende Franzose Bernard Moitessier verzichtete auf das Spektakel, brach das Rennen ab und segelte lieber nach Tahiti. Den Golden Globe und später sogar den Ritterschlag der Queen ergatterte Robin Knox-Johnston, der als erster wieder in Großbritannien eintraf und als erster Einhandsegler die Welt ohne Zwischenstopp umrundet hatte. Somit waren nur noch Crowhurst und sein Landsmann Nigel Tetley im Rennen – wer als erster wieder in England einträfe, würde 80.000 Euro kassieren. Crowhurst hatten unterdessen offenbar Gewissensbisse gepackt, er segelte absichtlich langsam in der Hoffnung, das Logbuch des Verlierers würde nicht allzu genau begutachtet werden.

Nichtbehindert bei den Paralympics

Tetley hingegen nahm an, Crowhurst sei ihm dicht auf den Fersen, und segelte deshalb so riskant, dass er vor den Azoren Schiffbruch erlitt. Crowhurst erfuhr von der Lage seines Widersachers, die ihm zwar den Sieg beschert hätte, es aber auch wahrscheinlich werden ließ, dass sein Betrug auffliegen würde. Dies führte zu einem Nervenzusammenbruch, wie sich anhand des Logbuchs rekonstruieren lässt. Die Einträge wurden von Tag zu Tag wirrer, befassten sich mit Einsteins Relativitätstheorie und inkongruenten philosophischen Theorien. Am 1. Juli 1969 ging Crowhurst über Bord, seine Leiche wurde nie gefunden. Knox-Johnston spendete das Preisgeld für den zweiten Platz, der ihm zugesprochen wurde, an Crowhursts Witwe.

Nichtbehindert bei den Paralympics
Die spanische Basketballmannschaft, als »mentally handicapped« angetreten, glänzte bei den Paralympics in Sydney im Jahr 2000 mit ihren Leistungen und gewann schließlich Gold. Doch der Journalist Carlos Ribagorda hatte sich in das Team eingeschlichen und ließ einen großen Schwindel auffliegen.

Er berichtete, dass weder er noch die anderen Teamkollegen je auf ihre geistige Gesundheit und Leistungsfähigkeit untersucht worden seien. Das Olympische Komitee veranlasste daher Nachuntersuchungen, bei denen herauskam, dass von den zwölf Spielern nur zwei eine geistige Behinderung hatten. Die Spanier mussten ihre Goldmedaillen zurückgeben. Der Präsident des spanischen »Verbands geistig behinderter Sportler«, Ferndando Martin Vicente, der den Schwindel maßgeblich organisiert hatte, musste zurücktreten und wurde wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 5.400 Euro verurteilt. Der Verband musste Fördergelder in Höhe von 142.255 Euro zurückzahlen. Bittere Ironie: Vicente hatte den Bluff in die Wege geleitet, um nach einem Olympiasieg des Basketballteams höhere staatliche Fördersummen für Sportler mit geistigen Einschränkungen zu erhalten.

Dies ist der vierte Teil unserer Serie über Hochstapler und Prankster im Sport. Hier gehts zu Teil 1, Teil 2 und Teil 3.