Lynchmorde an Schwarzen in den USA

Roter Sommer, weißer Terror

Seite 3 – Chronistin der Gewalt

Fast genau zehn Jahre zuvor hatte der Soziologe und Journalist W. E. B. Du Bois zusammen mit einigen Gleichgesinnten die Bürgerrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) gegründet, als Reaktion auf ein Pogrom in der Stadt Springfield im US-Bundesstaat Illinois. Damals, 1908, hatte ein Lynchmob von 5.000 Weißen die Schwarzenviertel von Springfield angegriffen und 16 Menschen ermordet, darunter ein Baby. Und nun, im Verlauf des »Roten Sommers«, traten an die 100.000 Menschen der renommierten Bürgerrechtsorgani­sation bei.

Ein Gründungsmitglied der NAACP war die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Ida B. Wells. Ihr ist es zu verdanken, dass diese blutigen Kapitel der amerikanischen Geschichte nicht in Vergessenheit geraten ist. Wells, die 1862 drei Jahre vor dem Ende des Bürgerkriegs als Sklavin geboren wurde, setzte sich ihr ganzes Leben für die Gleichberechtigung von Schwarzen und Frauen ein. Sie reiste durch ganz Amerika, führte Interviews mit Überlebenden von Lynchjustiz, befragte Zeitzeugen und stellte somit wichtige Augenzeugenberichte und Statistiken zusammen.

Ihre Schriften »Southern ­Horrors: Lynch Law in All Its Phases« (1892) und »The Red Record« (1895) sind von enormer historischer Bedeutung. Zudem hielt sie zahllose Vortragsreisen, auch in Europa, um Druck auf die US-Regierung aus­zuüben. Es war ihr Lebensziel, den Lynchmorden ein Ende zu setzen. Sie sollte es nicht mehr erleben, denn Wells verstarb 1931 im Alter von 68 Jahren. Die weiße Gewalt gegen Schwarze ebbte erst gegen Ende der sechziger Jahre ab, nach Martin ­Luther Kings Marsch auf Washington 1963 und den Massenprotesten des »Freedom Summer« von 1964.