Rassismusskandal um Clemens Tönnies

Was normal ist

Seite 2 – Selbstentlarvung der Eliten
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Zur Erinnerung: Tönnies hatte beim Tag des Handwerks in Paderborn, zu dem dessen Website zufolge nicht nur »die Betriebe des heimischen Handwerks, sondern die gesamte mittelständische Wirtschaft im Hochstift Paderborn« sowie der Bischof von Paderborn eingeladen waren, folgenden Gutsherrenspruch abgelassen: Man müsse in Afrika nur ein paar Kraftwerke bauen, »dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren«. Von Widerspruch aus dem Publikum wurde nichts berichtet.

Wie es derzeit aussieht, wird der Vorfall für Tönnies jedoch keinerlei gravierende Konsequenzen haben – außer einer dreimonatigen Auszeit von seinem Amt als Aufsichtsratsvorsitzender, die er selbst gewählt hat. Der Ehrenrat des FC Schalke 04, der Tagesschau-Kommentator Kai Gniffke und weitere Rassismusexperten wie Huub Stevens, Sigmar Gabriel und Wolfgang Kubicki stellten explizit fest, dass Tönnies’ Aussagen nicht rassistisch gewesen seien. Tönnies entschuldigte sich nicht einmal bei jenen, die er mit seinen Aussagen direkt herabgewürdigt hatte.

All das illustriert die Regression der Konservativen sehr anschaulich. Wilhelm Heitmeyer sprach auf Spiegel Online von einer »Selbstentlarvung, man kann auch sagen Selbstdemaskierung, von Eliten«. Es handele sich um ein Lehrstück, »von Eliten quasi beglaubigt: Die Würde des Menschen ist antastbar.« Das ist in diesem konkreten Fall vielleicht etwas dick aufgetragen, trifft die Tendenz aber ziemlich gut.

Der ganze Vorgang ist aber auch aus einem weiteren Grund ­deprimierend. Ein Skandal zeigt, was eine Gesellschaft nicht akzeptieren will. Im Umkehrschluss zeigt er auch, was eine Gesellschaft ­eigentlich für ganz in Ordnung hält, für normal, für nicht der Rede wert. Tönnies betreibt den größten Schlachtbetrieb in Deutschland, mit einem Jahresumsatz von etwa sechseinhalb Milliarden Euro. Zahlreiche Medienberichte weisen darauf hin, wie schlimm die Zustände in Tönnies’ Schlachtbetrieb sind: Niedriglohn, Werkverträge, Subunternehmen, Gewerkschaftsfeindlichkeit, übelste Ausbeutung besonders von osteuropäischen Arbeitern und die heftige Umweltbelastung, die zu diesem Geschäft dazugehört. All das scheint kein Skandal sein, der für den Boss eines Profifußballclubs Konsequenzen hätte – weil es eben normal ist.