Gehalt von Auszubildenden

Das Mindeste ist nicht genug

Seite 4 – Organisierung und Kampf

»In der großen Mehrzahl der Tarifbranchen liegen die Vergütungen für Auszubildende bereits heute deutlich oberhalb der geplanten Mindestausbildungsvergütung«, schreibt der Tarifexperte des WSI in einer Pressemitteilung. Die Mindestausbildungsvergütung hätte seiner Ansicht nach durchaus höher ausfallen können, ohne Tarifverträge überhaupt in bedeutendem Maß zu tangieren. Daten der Bundesagentur für Arbeit zufolge werden gerade einmal sieben Prozent aller Auszubildenden von der neuen Lohnuntergrenze profitieren. Zudem enthält die Neuregelung einen sogenannter Tarifvorbehalt: Tarifliche Regelungen, die den neuen Mindestlohn unterschreiten, gelten vorerst weiter.

Ein Ende der Ausbeutung von Auszubildenden als billige Arbeitskräfte ist von der Mindestausbildungsvergütung also ebenso wenig zu erwarten wie eine Lohnangleichung zwischen den verschiedenen Ausbildungsberufen. Dazu wären eine gemeinsame Organisierung der Auszubildenden und ein Kampf für höhere Tariflöhne nötig. Die Chancen hierfür stehen gut.

Die Klage über fehlende Nachwuchskräfte hat inzwischen auch den industriellen Bereich erreicht, der Arbeitskräftemangel eröffnet jungen Beschäftigten gute Möglichkeiten, Verbesserungen durchzusetzen. Tatsächlich konnten die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren vielfach deutlich höhere Ausbildungsvergütungen aushandeln und sogar in bisher nicht tariflich erfassten Bereichen, zum Beispiel in der Pflege, erstmals Tarifverträge für Auszubildende erkämpfen. Entgegen dem Bild der Gewerkschaften als verstaubte Rentnerclubs wächst der Anteil junger Beschäftigter in den Gewerkschaften seit Jahren kontinuierlich. Eine wachsende Zahl junger Beschäftigter scheint sich nicht mehr auf die Politik verlassen zu wollen, wenn es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne geht, sondern nimmt dies lieber selbst in die Hand.