Kaschmir-Konflikt

»Der dunkelste Tag«

Seite 2 – »Undemokratisch und verfassungswidrig«

Am 5. August hatte der indische Innenminister Amit Shah angekündigt, ­Präsident Ram Nath Kovind werde die Sonderstellung des Bundesstaats Jammu und Kaschmir beenden. Das Vorhaben der regierenden hindunatio­nalistischen Partei BJP wurde noch am selben Tag im Ober- und Unterhaus des indischen Parlaments bestätigt, während sich Lokalpolitiker in Kaschmir unter Hausarrest befanden. Die Artikel 370 und 35A der indischen Verfassung gewährten Jammu und Kaschmir bislang eine eigene Verfassung und damit weitgehende Autonomie. Der nördlichste Bundesstaat Indiens soll am 31. Oktober in die Verwaltungseinheiten Jammu und Kaschmir sowie ­Ladakh geteilt werden, die jeweils zu Unionsterritorien her­abgestuft werden. Damit wären sie der Zentralregierung direkt unterstellt. Viele Kaschmiris befürchten, dass sich dadurch nicht nur die Bevölkerungsstruktur in der Region verändern wird.

»Die Aufhebung von Artikel 370 ist undemokratisch und verfassungswidrig«, bemängelt Wazir. Jammu und Kaschmir ist der einzige von 29 Bundesstaaten Indiens, in dem die Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist. Das missfiel hinduistischen Hardlinern schon lange. Der Sonderstatus des Bundesstaats war die Bedingung dafür, dass sich die damals unabhängige ­Region im Oktober 1947 Indien anschloss, nachdem Pakistan Kaschmir angegriffen hatte. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen wurde Kaschmir 1949 zwischen Pakistan und Indien aufgeteilt, doch beide beanspruchen weiterhin die gesamte Region.

Trotz mancher Vorbereitungen kam der Schritt der indischen Regierung überraschend. Vergangenes Jahr war in Jammu und Kaschmir die Koalitions­regierung der BJP mit der People’s ­Democratic Party (PDP) zerbrochen. Die indische Regierung setzte daraufhin den Gouverneur Satya Pal Malik (BJP) ein. Um einer Regierungsbildung der Opposition zuvorzukommen, löste dieser am 21. November 2018 das Parlament von Jammu und Kaschmir auf. Zuletzt wurden die Regionalwahlen verschoben. Damit sicherte sich die indische Regierung die Zustimmung des Bundesstaats zu ihrer Entscheidung, dessen Sonderstatus zu beenden.