Auf den Spuren eines Sprach-Syndroms

Die Genau-Sager

Seite 3 – Sozialforschung und Massenpsychologie

Um nicht zusätzlich zu Büro und Café auch noch regelmäßig den Psychotherapeuten aufzusuchen zu müssen, zählte der von interjektionaler Diskriminierung Betroffene von nun an regelmäßig Genaus, nicht ohne leise Zuversicht, auf Basis des empirischen Materials später einmal eine alltagssoziologische Studie für das Institut für Sozialforschung erstellen zu können. Eine Stunde im Café ergab mindestens 130 und maximal 870 Genaus, eine abendliche in der Kneipe wohl wegen des Alkoholisierungsgrads der meisten Genau-Sager mehr als das Doppelte.

Unter Freunden oder Kollegen zu zählen, erwies sich als wenig handhabbar, weil das Wissen um die Genau-Zähltätigkeit des Genau-Zählers naturgemäß die Statistik verzerrt. Ankündigungen, zum Zweck privater Rentenvorsorge künftig für jedes gehörte »Genau« einen Euro zu verlangen, konnten die Genau-Quote in diesem Personenkreis um fast 40 Prozent reduzieren, was nahelegt, dass eine entsprechende Steuer sowohl Geld in die öffentlichen Kassen leiten wie die allgemeine Lebensqualität erhöhen würde. Eine umfassende Genau-Statistik für den Bereich des Fernsehens und des Rundfunks, die für die Beantragung eines Genau-Pilotprojekts bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft unabdingbar wäre, ist bislang nicht erstellt worden, weil der dem Genau-Forscher zugängliche Personalpool nicht die nötigen Ressourcen hergibt.

Vielleicht ist das Phänomen aber auch eher ein Fall für die kritische Massenpsychologie als für die empirische Sozialforschung. Im Laufe sei­ner Feldstudie ist es dem Genau-Forscher jedenfalls mehrfach begegnet, dass Genau-Sager von den Genaus, die eher ihren Mund überspü­len, als aktiv hervorgebracht zu werden, gleich einem psychotischen Schub in regelrechte Affirmationsanfälle hineingetrieben wurden.