Die »Identitäre Bewegung« in der Krise

Identitär hat’s schwer

Verdacht auf Steuerhinterziehung, Ärger mit dem Verfassungsschutz und ein großes PR-Debakel: Für die Identitäre Bewegung läuft es momentan nicht rund.
Kolumne Von

Für die »Identitäre Bewegung« (IB), nach eigener Auffassung Europas letztes Aufgebot gegen »den großen Austausch«, lief es in jüngster Zeit nicht gut. Ende Juli floppte ein Sommerfest des Hausprojekts der Identitären in Halle. Trotz bundesweiter Mobilisierung blieb die Teilnehmerzahl gering, starke Proteste begleiteten die Veranstaltung. Von einer tatsächlichen Bewegung kann nach wie vor keine Rede sein. Selbst bei den Medien ist das Interesse am identitären PR-Spektakel gesunken.

Die Krise ist »alldeutsch«, die Lage der österreichischen Kameraden färbt auf die deutschen ab. Im Nachbarland hat das Ende der Regierungskoalition wegen der »Ibiza-Affäre« die FPÖ erschüttert, was auch für die dortigen Identitären schlecht ist. Denn für die ­Partei ist es nun schwieriger, eine schützende Hand über die IB zu halten. Im Zuge von Finanzermittlungen sind Unregelmäßigkeiten bei der IB offenbar geworden. Nicht nur die Spende des späteren Attentäters im neuseeländischen Christchurch wurde ruchbar. Österreichische Behörden ermitteln auch wegen Steuerhinterziehung.

In Deutschland kam die Entscheidung des Bundesverfassungsschutzes hinzu, die Strömung als rechtsextrem einzustufen. Martin Sellner, der Anführer der österreichischen IB, beschwerte sich auf der Web­site der neurechten Zeitschrift Sezession über die Begründung des Geheimdienstes. Dieser hatte vor allem den sogenannten Ethno­nationalismus als Grund für die Einordnung der Gruppe als rechtsextrem angeführt. Das könne, so Sellner, doch nur ein Missverständnis sein, da so eine »biologistische Haltung« in den Reihen seiner Kameraden gar nicht vorkomme.

Er persönlich »kenne ­keinen Identitären«, der sie je vertreten habe, sie sei »nicht Standpunkt« der Organisation. Dabei wird genau diese Haltung in Grundsatzdokumenten der Identitären klar ausformuliert. »Vom Standpunkt der Staatsangehörigkeit kann jede Person ein Deutscher sein und damit auch Nationalist«, steht in der Selbstbeschreibung der deutschen IB. Das sei jedoch abzulehnen.

»Ethno­kulturellen Identität«

Diesem Konzept der Staatsangehörigkeit setzt die IB den Begriff einer »ethno­kulturellen Identität« entgegen. »In eine ethnokulturelle Gemeinschaft kann man nicht einfach so immigrieren«, denn sie fuße »auf invariabler Zugehörigkeit«. In dieser »organischen Gemeinschaft« sei der »Zusammenhalt viel bruchfester« und nur mit ihr sei die »Volksherrschaft« herzustellen.

Sellner erhebt in seinem jüngsten Beitrag für die Sezession folglich die Einwanderung, und nicht etwa den Kampf gegen diese, zur Gefahr für die Demokratie. Er beruft sich auf den »Sozialwissenschaftler« Frank Salter. Der Forscher ist ein Soziobiologe, der auf eine lange Karriere in der extremen Rechten Australiens zurück­blicken kann. Seine Forderungen nach einer politischen Sicherung des »genetischen Fortbestands« einzelner Bevölkerungsgruppen beruhen auf einer streng biologistischen Argumentaton. Mit seinen Publikationen ist er Stichwortgeber von Rassisten weltweit.

Sellners vorgeschützte Naivität folgt dem üblichen Muster der neurechten Propaganda: den harten ideologischen Kern abstreiten und zugleich in netteren Worten wiederholen. In diesem schrägen Ton erklingt auch Sellners Empörung, der Verfassungsschutz sei wegen seiner Einordnung der IB »keine neutrale politische ›Rating-Agentur‹ mehr«, sondern habe sich »auf Seiten der Globalisten« positioniert. Unterstützung erhielten Sellner und seine Gefolgsleute von der Wochenzeitung Junge Freiheit.

Thorsten Hinz, der wie Sellner eng mit dem Kreis um Götz Kubitschek, dem Chefredakteur der Sezession, verbandelt ist, wertete den Beschluss des Verfassungsschutzes als Einschüchterungsversuch: »Das ist erst der Anfang.« Er warnte vor einer Distanzierung von der IB und beschwor den ­Zusammenhalt des nationalen Lagers. Aber eine Abgrenzung etwa der AfD von den Identitären wird ohnehin nicht einmal förmlich ­gewahrt. Erst im März stellte der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese den Anführer der deutschen IB, Daniel Fiß, als Mitarbeiter seines Büros ein. Ob es für die Identitären schlecht läuft oder gut – ihre Arbeit macht ohnehin längst die AfD.